Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 2)

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Buch IV. 
Norden. 
XV. Jahrhundert. 
Flandrer. 
218- 
verschiedenen Alters, folgt ihm; zwischen schlanken Bäumen 
sieht man in ein fruchtbares Thal hinaus. Das weite, rothe 
Gewand des Christoph erinnert in der Führung der Falten, 
wie jene oberen Mittelbilder, noch bestimmt an den älteren 
Styl, doch ist es nicht glücklich behandelt; auffallend ist 
auch der seltsam bizarre, wunderliche Ausdruck in den 
meisten Gesichtern der Uebrigen. Wohl möglich daher, dass 
die Ausführung dieses Bildes von einem andern Schüler 
Huberts herrührt, der, minder selbständig, sich mehr an die 
Technik des Meisters halten mochte und des letzteren Stre- 
ben nach Charakteristik bis zur Caricatur übertrieb.  Un- 
gleich anziehender ist das folgende Bild, Welches die Schaar 
der heiligen Einsiedler, aus einer Feldschlucht hervortretend, 
darstellt. Voran schreiten die beiden, welche das erste Bei- 
spiel einsiedlerischer Zurückgezogenheit gaben, Paulus der 
Eremit und Antonius; den Zug beschliessen die beiden 
heiligen Frauen, die ebenso die grösste Zeit ihres Lebens in 
der Wüste zugebracht, Maria Magdalena und Maria von 
Aegypten. Höchst charaktervoll und von mannigfach ver- 
schiedenem Ausdrucke sind hier die einzelnen Köpfe; ein 
jeder trägt die Geschichte seines Lebens in seinen Zügen. 
Würdige Greise stehen vor dem Beschauer, der eine kräftiger, 
andre gernüthlicher, befangener, hinfälliger; begeisterte Fana- 
tiker erheben wild ihr Haupt, während andre schlicht, mit 
leis humoristischem Blicke nebenherschreiten lmd wieder an- 
dre noch ringen im Kampfe mit ihrer irdischen Natur. Es 
ist ein merkwürdiges Bild, das uns tief in die Geheimnisse 
des menschlichen Herzens hineinführti; ein Bild, das jederzeit 
den ersten Werken der Kunst wird zugezählt werden müssen 
und zu dessen Verständniss es nicht erst einer Untersuchung 
über die besonderen Zeit- und Ortsverhältnisse des Künstlers, 
der es geschaffen, bedarf. Höchst anmuthig ist der land- 
schaftliche Hintergrund, die Felswand der Schlucht und 
drüber der grüne bewaldete Berghang und die fruchtbela 
denen Bäume; das Auge müsste sich hier in das reiche Ein- 
zelleben der Natur verlieren, wenn es nicht immer wieder 
auf den bedeutsamen Vorgrund zurückgeführt würde._
	        
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