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Buch IV.
Norden.
Jahrhundert.
Flandrer.
von schönem Ausdrucke sind, stören gleichwohl diese
Wirkung nicht wesentlich; sie gehören nothwendig in diese
zu paradiesischer Pracht gesteigerte Wirklichkeit. Für die
malerische Durchführung der letztern gab die von den Brü-
dern van Eyck herrührende Erfindung, oder vielmehr_Ver-
besserung der Oelmalerei die nöthigen technischen Mittel an
die Hand. Die Blüthe und Macht, zu welcher sich die
flandrischen Städte zu jener Zeit emporgeschwungen hatten,
Lebenslust und Vaterlandsliebe, allgemeine Verbreitung eines
kräftig religiösen Sinnes, hatten den Boden bereitet, welcher
eine solche Kunst wohl zu nähren im Stande war. Der
Gesinnung eines reichen Handelsstaates gemäss tritt in die-
sen Gemälden eine min-iaturartige Vollendung und die höchste
Pracht der Ausführung sehr in den Vordergrund; Luxus und
Andacht gehen Hand in Hand. Dagegen ist von Fresken
wenig zu melden, und man kann wohl annehmen, dass die
vorzüglichern Maler ihr Leben lang vollauf mit Staffeleibildern
beschäftigt waren. Namentlichmusste auch die auf einmal in
wunderähnlicher Vollendung auftretende Portraitmalerei zahl-
lose Bestellungen veranlassen.
Die Uebergänge aus dem früheren germanischen Styl in
diese neue Richtung haben wir oben (Bd, I., S. 261) in den
französisch-niederländisehen Miniaturen nachgewiesen, wo sich
jenes grössere Naturstudium, vornehmlich was die schon sehr
vollendeten landschaftlichen Gründe anbetrifft, bereits in
bedeutender Weise vorgebildet fand. (Man möchte überhaupt
annehmen, dass dieyvan Eyck aus einer Schule von Minia-b
toren hervorgegangen seien, wenn man die ausserordentlich
feine und prachtvolle Ausführung ihrer Gemälde in Betracht
zieht.) Jedenfalls aber war die Neuerung eine Verhältniss-
mässig schnelle und überraschende. Die geschichtlichen Ent-
wickelungen gehen überhaupt nicht in allmälig aufsteigender
Linie, sondern in einzelnen grossen Pulsschlägen vor sich,
und der gegenwärtige Fall musste um so gewaltiger und
durchgreifenden hervortreten, als zwei Meister jene neue
Richtung ins Leben riefen, die den grössten Künstlern aller
Zeiten zugezählt werden müssen und die überdies bei ihren