Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 2)

216. 
Einseitigkeit 
der Ausbildung. 
355 
messenheit. Doch im Augenblick der mächtigsten Entwicke- 
lung tritt mit den Kämpfen der Reformation eine gewaltige 
Wendung der geistigen Interessen ein, welche alles Grgsge 
und alle Begabung der Nation in ihren Kreis hinein zieht 
und die Kunst ihrer wichtigsten Kräfte beraubt"). Parallel 
damit hatte die humanistische Zeittichtung die Künstler auf 
Italien und auf die Antike hingewiesen und ein plötzliches 
Nachholen des versäumten veranlasst, welches die Malerei 
innerlich halbirte und mehr ihre Unfreiheit zu Tage brachte 
als eine wahre Befreiung bewirkte. Schon bald nach der 
Mitte des XVI. Jahrhunderts verschwinden in der deutschen, 
Malerei auch die letzten irgend bedeutenden Individualitäten; 
was in den Niederlanden und anderswo fortlebt, ist nur par- 
tiell erfreulich und meist von Italien abhängig.  
Die Ueberlieferung ist auch für diese Periode erstaun- 
lich lückenhaft- Im XV. Jahrhundert kommen die Kunst- 
nachrichten neben der Masse der noch jetzt vorhandenen 
Kunstwerke kaum in Betracht: eine gewisse Art von fort- 
laufender Tradition giebt es nur für die Niederlande, wäh- 
rend für Deutschland wenig mehr als einzelne Namen und 
Jahrzahlen vorhanden sind. In Frankreich fehlt nicht nur 
die Kunstgeschichte, sondern selbst die wesentlichsten Denk- 
mäler, Tafelbilder und Fresken; ebenso in England. Selbst 
für das XVI. Jahrhundert ist die geschriebene Kunde mehr 
ü) Ich wünsche hier wie im Obigen (vgl. Bd. 1., S. 389), nicht miss- 
verstanden zu werden. Die Parallele der nordischen Kunst des XV. 
Jahrhunderts mit der italienischen hatin einem übersichtlichen Werke 
ihre Berechtigung; sie zu unterdrücken wäre eine Unbilligkeit gegen 
die italienische Kunst. Auch wird die folgende Darstellung zeigen, 
(lass wir bei den nordischen Malern ebensosehr auf den ihnen eigen- 
thümlichen Standpunkt einzugehen suchen als bei den italienischen. 
Was sodann das Verhältniss der Kunst zur Reformation betrifft, S0 
wird man mir nach dem Bisherigen wohl zutrauen, dass ich nicht 
Unmessbares gegen Unmessbares abwägen, sondern die Dinge in ihrer 
Welt-geschichtlichen Grösse und Nothwendigkeit zu erkennen suchen 
werde. Nur liegt es nicht in unserer Aufgabe, den ungeheuren geistigen 
Ersatz nachzuweisen, welcher dem Norden für die sinkende Kunst zu 
Theil wurde.  B.  

	        
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