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Buch III. Italien.
XVI. Jahrhundert.
Venedig
die Stufen hinunter, indem er sich zurückwendet gegen seine
gefesselt folgenden Todesgenossen Marcus und Marcellinus,
Welche er, gen Himmel deutend, begeistert anredet. Der
Eine blickt ihn voll gläubigen Vertrauens an, der Andre ist
zurückgewandt gegen die gramvolle Mutter, Welche ihn mit
Vorwürfen und Bitten aufhalten möchte; rechts die Treppe
hinan kommt ein greiser Vater, von Jünglingen geführt; auch
Frauen mit Kindern werfen sich den Märtyrern entgegen,
aber in edelster Ruhe gehen diese ihren Todesgang. Von
Balustraden und Dächern her, an Säulen geklammert, an die
Treppe gedrängt, sehen zahllose Menschen in höchster Span-
nung zu. Es ist in diesem Gemälde eine Schönheit der
Composition, ein Reichthum ohne Ueberfüllung und eine Ge-
walt des Ausdruckes wie der Farbe, welche dasselbe in
gewissem Betracht. als edelste Schöpfung Paolds erscheinen
lässt. Die beiden andern Gemälde stellen S. Sebastian von
Pfeilen durchbohrt und auf der Folterbank gemartert dar, das
erstere wiederum von schönster Erfindung und Ausführung.
Der an eine Säule gebundene Heilige, von Pfeilen getroffen,
blickt sehnsüchtig nach dem Himmel empor, WO zwischen
schönen Engeln die Madonna erscheint; neben ihm zwei herr-
"liche Frauengestalten, ebenfalls betend zu der himmlischen
Erscheinung gewandt; weiter unten knien drei Heilige, Welche
den Märtyrer bewundernd anblicken. In dem letzten Bilde
war es nicht möglich, die gräuliche Marter durch solche
ideale Beziehungen vergessen zu machen, so dass dasselbe
den Vergleich mit den beiden andern trotz der meisterhaften
Darstellung nicht aushält. Die grossen Flügel der Orgel
in derselben Kirche enthalten aussen eine schöne Darstellung
"im Tempel, innen das Wunder am Teich Bethesda, gemalt
um 1550, letzteres wiederum eine der vorzüglichsten Compo-
sitionen Paolo's. Die links einer Halle entlang sitzenden
Kranken sind mit feinem Takt zu einer Gruppe verschoben;
ein Greis auf Krücken macht mit heftiger Geberde. auf
Christum aufmerksam, welcher eben einen Krüppel durch sein
Wort geheilt hat, der gebeugt und erschüttert zu ihm auf-
blickt; hinten helfen die Apostel andern Geheilten aus dem