210.
Die
Prodenone.
Paris
Bordone.
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sonders nach Giorgionds Werken, vermied aber dessen
strengere Auffassungsweise, schloss sich indess später so sehr
an Tizian an, dass seine Werke öfters dessen Namen er-
halten konnten. Er zeichnet sich durch ein ungemein zartes
rosiges Colorit, welches freilich schon an der Grenze der
Weichlichkeit steht, aus; auch die Formen werden schon
überquellend reich, der Ausdruck in Weiblichen Gestalten
hie und da buhlerisch. Seine weiblichen Portraits, derglei-
chen in den grösseren Kunstsammlungen (in der Galerie von 13.
München, dem Belvedere und der Galerie Esterhazy zu
Wien, bei Manfrini zu Venedig, in den Üffizien zu Florenz
u. s. w.; u. s. w.) mehrere gefunden werden, sind von einer
ungemein süssen Anrnuth, wenngleich nicht von sonderlich
geistreicher Auffassung. In grösseren Compositionen ist
(er, ähnlich wie Pordenoneunicht sehr bedeutend; seineiAl-
tarbilder, meist Madonnen mit Heiligen, haben hie und da
etwas von der sinnlich-geistigen Aufregung Coreggids, nur
ohne dessen Naivetät; doch sind auch hier die Köpfe vorzüg-
lich. (Zwei dergleichen im Berliner Museum.) Sein berühm-14-
testes Gemälde befindet sich in der Akademie von Venedigiä.
und bezieht sich auf jenen Seesturm, den Giorgione bereits
gemalt hatte. Hier sieht man den Fischer, Welcher gegen-
wärtig war, als die Heiligen den Sturm gestillt, und welcher
einen Ring, der ihm von dem heil. Marcus als Unterpfand
seiner gnädigen Gesinnungen gegen Venedig gegeben war,
dem Dogen in Gegenwart der Senatoren und vieler Nobili
überreicht. Die figurenreiche Composition ist einfach und
zeugt nicht von vielem Geist, aber sie wird durch die herr-
liche Ausführung zur anziehendsten Wirklichkeit, wozu der
Ausblick auf venetianische Prachtgebäude viel beiträgt.
Das sinnvollste iGemälde Bordonds ist vielleicht die 16.
Sibylle von Tibur, im Pallast Pitti; noch lodert von ver-
geblichem Opfer ein Altar, an welchen Augustus seinen Lor-
beerkranz gelehnt hat, da tritt das begeisterte Weib (von
schönstem tizianischen Typus) vor ihn und seine Begleiter
hin und zeigt ihnen in der Ferne das neugeborne Christus-
kind. Auch in der Farbe ist das Bild ein Hauptwerk des