Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 2)

206. 
Mythologische 
Bilder. 
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Ein Bild von der grössten Gewalt schöner Sinnlichkeit, ob- 15. 
gleich es fast nur bekleidete Figuren enthält, befindet sich in 
der Münchener Galerie. Es stellt die Venus dar, welche ein 
junges Mädchen in die Geheimnisse des Bacchus aufnimmt. 
Es sind halbe Figuren. Venus sitzend, in weissem Unter- 
gewande und grünem Oberkleide, das blonde Haar in Flech- 
ten aufgewunden, ist eine Gestalt in edelster Fülle, von zarten, 
durchaus vollendetengFormen; in dem Auge, das auf die 
junge Bacchantin niederblickt, liegt der Zug einer tiefen 
Schwermuth,  es ist die Melancholie der Vollendung. Sie 
hält eine Pansherme (wie es scheint) in den Händen, die noch 
von einem Schleier umhüllt ist. Die Bacchantin beugt sich 
vor ihr nieder; minder zart in ihren Zügen als die göttliche 
hleisterin, ist doch ihr ganzes Wesen von Glut und Verlangen 
erfüllt; ungestüm drängen ihre Formen sich vor, nur mit 
Mühe hält sie die niedersinkenden Gewänder noch fest, 
schmachtend blickt ihr grosses glänzendes Auge zu der Göttin 
empor. Amor lehnt an dem Rücken der Venus und blickt 
ruhig auf seine junge Beute, für die er keinen Pfeil mehr 'b 
anzusetzen braucht; ein junger hübscher Faun, im Begriff 
eine Traube zu pflücken, blickt mit einer gewissen gemässigten 
Spannung auf die Enthüllung der Herme; ein hässlicher 
Satyr, dessen Kopf hinter der Bacchantin sichtbar wird, hält 
eine volle Schale mit reifen Früchten über ihrem Haupte. 
(Die Ilatiptüguren dieses Bildes kehren auf manchen andren 
Gemälden wieder;  so auf einem Bilde der k. k. Galerie 
zu Wien, welches den Marchese del Guastox) mit seiner Gelieb- 
ten und andren Figuren darstellt und einem ähnlichen im 16_ 
Louvre, dessen männliche Hauptfigur auch, und vielleicht mit 
mehr Recht, für den Herzog v. Alba ausgegeben wird.) 
Auch in jener mehr novellistisch-symbolischen Gattung, 
welche Giorgione ausgebildet hatte, schuf Tizian mehrere herr- 
ü) Wenigstens sieht der Marchese auf seinem schönen Porträt 
von Tizians iHand in Cassel, und als Bräutigam auf P. Veronesds 
grosser "Hochzeit zu Cana" im Louvre ganz anders aus; ist auf bei- 
den letztgenannten Bildern aber unverkennbar identisch. v. B.
	        
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