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Buch 111.
Italien.
XVI. Jahrhundert.
Tizian.
204.
16- milie Pesaro, ein Wunderwerk schöner Lebenswahrheit. Einige
andre vom höchsten Werthe sind in der Galerie von
Dresden.
Andre nicht eben häuüge Bilder dieses Inhalts sind meist
freier geordnet, als sog. sante conversazioni; auf solchen
sitzen und stehen die Heiligen in ungebundener Weise zu-
sammen und unterhalten sich einer mit andern. Der Thron
der Madonna, welcher bei den Vivarini und Bellini immer
noch die Ileiligen trennte, ist hier seitwäts angebracht, oder
mitsammt der architektonischen Einfassung gänzlich ver-
schwunden; oben in lichten Goldwolken schwebt dann die
Mutter Gottes zwischen lebenslustigen Genien, während unten
die Conversation sich zu ungehemmten Gruppen ordnet. In
solchen Bildern verschwindet natürlich der eigentlich erbau-
liche Zweck fast ganz und man sieht in ihnen insgemein
nur eine Gesellschaft schöner und kräftiger Menschen, die
manchmal ein andres als das religiöse Interesse zu verbinden
scheint. Ein vorzügliches Altarblatt aus Tizians späterer
17. Zeit, in der vaticanischen Galerie, kann als Typus dieser
Gattung gelten; dem begeistert empor schauenden S. Nico-
laus im bischöflichen PYRClJtQBWQJIClG sehen S. Petrus und
die reizende Katharina über die Schulter in's Buch; weiter
rückwärts S. Franz und S. Anton von Padua in Ekstase;
links S. Sebastian, eine Gestalt, welche fast in all diesen
Bildern wiederkehrt und für welche man Tizian nicht ver-
antwortlich machen darf; sonst bliebe es wohl unbegreifiieh,
dass die andächtigen Heiligen ihn nicht vor Allem seiner
Bande entledigt und seine Wunden verbunden haben sollten.
Üben in den Wolken zwischen Engeln die Madonna, welche
in heiterm Humor das liebliche Kind einen Kranz herunter-
werfen lässt. Tretfliche Bilder der Art findet man u. a.
13_auch in München, auch in der Leuchtenberjschen Galerie
(jetzt St. Petersburg). Die lebensgrosse Gestalt Johannes des
Täufers, in der Akademie zu Venedig ist bei aller Schönheit
doch im Charakter nicht ganz entschieden genug und scheint
19_ weniger von hoher Ahnung als von sanftem Schmerz erfasst.
Der grosse h. Hieronymus in einer grandiosen, waldigen