Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 2)

Tizian. 
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häufig eben nur ein Abbild des Nächsten und Bekannten, nur 
Darstellung schöner Formen ohne weitere Rücksicht auf 
geistige Verhältnisse und überirdische Begriffe zu enthalten 
scheinen, durchweg eine reinere und erhöhte Stimmung mit. 
Es ist das Leben in seiner vollsten Potenz, es ist die Ver- 
klärung des irdischen Daseins ohne Nimbus und ohne Opfer- 
blut; es ist die Befreiung der Kunst aus den Banden kirch- 
licher Dogmen. 
Was Tizian von Coreggio scheidet, mit welchem er sonst 
eine offenbare Congenialität besitzt, ist wesentlich ein ganz 
verschiedenes iVollen. Wo der Lombarde ein nervös auf- 
geregtes Leben schildert, giebt der Venetianer ruhiges Be- 
hagen; wenn bei Jenem die Gestalten nur desshalb geschaffen 
scheinen, um daran das Spiel der Empfindung und des Na- 
turlebens darzustellen, nehmen sie bei Diesem vor allem eine 
grandiose, volle Existenz in Anspruch und sind dann in der 
Bewegung um so gewaltiger; wo Jener vor hastiger Leiden- 
schaft nicht zur Entwickelung schöner Formen kömmt und 
uns desshalb modern erscheint, da behält Dieser seine uner- 
schütterliche Grundlage dauernder und nothwendiger Schön- 
heit; wie endlich Coreggids Helldunkel etwas an sich Be- 
dingtes, Mittelbares, ein Phänomen an den Körpern ist, so 
ist bei Tizian die Farbe der Ausdruck der Existenz selber. 
ä. 204. In seinen früheren Bildern erscheint Tizian 
noch als ein Anhänger des Bellinfschen Styles, den er je- 
doch bereits mit einer eigenthümlichen Kraft zu behandeln 
Weiss. Eine Anbetung der Könige im Pallast Manfrini zu 1, 
Venedig, ein kleines flgurenreiches Bild mit mancherlei 
Mängeln in den Figuren, aber mit einer artigen weiten 
Landschaft, ist gewiss eins seiner frühesten Stücke. Schon 
entwickelter sind eine Madonna mit Engeln in der Galerie der 2, 
Ufiizien zu Florenz, eine Madonna mit Heiligen im Pallast 3_ 
Colonna , und eine zierliche kleine Madonna im Pallast 4_ 
Sciarra zu Rom. Sodann gehört hieher besonders ein schönes 
einfaches Bild in der venetianischen Akademie, den Besuch 5_ 
Maria bei der Elisabeth darstellend; sowie auch eine sehr 
anmuthige Madonna mit dem Kinde aus dieser Zeit, in der 6_ 
20a
	        
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