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III.
Buch
Italien.
XVI.
Jahrhundert.
Venedig.
findet man in den Uffizien zu Florenz, z. B. ein Urtheil Sa-
lomonis, eine Anbetung der Könige etc. Eins dieser Bilder
ist besonders bezeichnend für die Art und Weise, wie Gior-
gione auch die „heilige Unterredung" zu einer N ovellenscene
machte; man erblickt eine Terrasse über einem Gebirgssee,
_mit der Aussicht auf schroffe, romantische Ufer; auf einem
Throne sitzt die Madonna, einzelne Heilige, S. Katharina,
S. Paulus gehen im Gespräche frei umher; auch S. Seba-
stian ist hier nicht angebunden, Petrus lehnt nachdenklich
an einer Balustrade, kleine Genien spielen harmlos am Boden.
Herrlich kühn und von schönster Klarheit und YVärme der
Farbe ist hier, wie auf manchen Bildern des Meisters die
Landschaft, in deren Ausbildung er den meisten übrigen
Venetianern vorangegangen ist.
g. 202. Unter Giorgionds Schülern war der bedeutendste
Fra Sebastiano del Piombo (1485-1547), dessen ich
bereits bei Gelegenheit des Michelangelo (S. 153-155)
gedacht habe. Aus seiner venetianischen Zeit bis zum
1. 26sten Altersjahre ist nur ein Hauptbild, ein Altarblatt
in S. Giovanni Crisostomo zu Venedig, vorhanden, das frei-
lich von der Fülle und Herrlichkeit Tizians nicht mehr weit
entfernt ist und einen Rückschluss auf die Persönlichkeit
Michelangelois gestattet, welcher den schon so vollendeten
Venetianer in seine, ganz entgegengesetzte Richtung zu
bannen vermochte. In einer offenen Halle sitzt der milde,
würdevolle Chrysostomus vorlesend an einem Pulte; auf-
merksam und liebevoll zu ihm hingeneigt steht Johannes der
Täufer, auf sein Kreuz gestützt, hinter ihm zwei andere
heilige Männer; links zwei heilige Frauen, andächtig zuhö-
rend; ganz vorn Magdalena, den Beschauer majestätisch an-
blickend, ein Prachttypus des damaligen venetianischen F rauen-
ideals, in voller, weltlicher Schönheit. Die Aufgabe einer
santa conversazione liess sich nicht würdiger lösen als hier
durch den Bezug der Zuhörenden zur Hauptfigur geschehen
ist; an Farbengluth steht das Werk überdiess den besten
2. Arbeiten des Lehrers gleich. Auch eine Madonna auf dem
Throne mit sechs Heiligen, in S. Niccolo zu Treviso, ist ein