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Buch III.
Italien.
XVI. Jahrhundert.
Venedig.
201.
grund ist eine Barke mit vier glühend beleuchteten nackten
satyrähnlichen Gestalten, prächtige Körper, besonders die
beiden sitzenden Ruderer, keck, frei und höchst meisterhaft
gemalt. Fabelhafte Seethiere tauchen auf ; auf dem einen
reitet wiederum ein gchörnter Satyr. Am Ufer, in der
Ferne, ist eine Stadt; links sieht man zuschauendes Volk.
WVie die Auffassung des ebengenannten Gemäldes sehr
cigenthümlich erscheint, so findet man überhaupt mannigfach
in Giorgionds Bildern eine besondere, poetische Anschau-
ungsweise, Welche sich eines Theils in allegorischen Bezie-
hungen und Andeutungen (die jedoch nicht immer leicht zu
entrathseln sein dürften), anderen Theiles in der Composition
mehr novellistischer Scenen äussert und die eine bedeutende
Verwandtschaft mit dem, heutigen Tages sogenannten „r0-
mantisehen Genre" hat. Jene allegorischen Bilder tragen
mehr das Gepräge seiner früheren Zeit und des BellinYschen
13,Styles. Iilins der frühern Werke dieser Art (wie es scheint),
der sog. "Astrolog", befindet sich in der Galerie Manfrini
zu Venedig. Der Alte, in phantastischem Gewande, sitzt an
einem Marmortische vor einem verfallenen Gebäude, in dessen
gginer Nische eine verstümmclte Venus steht; Cirkel und
Messingscheibe in der Hand schaut er hinaus; links warten
ein geharnischter Jüngling und ein am Boden sitzendes
Weib, welches mit einem vor ihr liegenden nackten Kinde
spielt; fern in der Landschaft ausruhende Krieger unter
19_ einem Baumef). Ein eigenthümlich anziehendes Gemälde
mehr novellistischen Inhalts, "aber von minder kräftiger Durch-
führung, ist im Museum von Paris: eine Landschaft, in
welcher zwei junge Männer mit zwei nackten Weibern, mu-
sikalisehe Instrumente in den Händen, sitzen (das eine der
WVeiber schöpft lrVasser aus einem Brunnen), Wiederum
ein Bild voll glühenden Lebens und edler Sinnlichkeit").
ü) Herr v. Quandt, Uebersetzung des Lanzi 11., S. es, Anmerk.
erkennt auch in diesem Bilde die Scene einer Novelle.
H) Von Waagen, Paris, S. 461, dem ältern Palrna beigelegt.
Im Kunstblatt 1846, Nr. 2 werden dem Giorgione auch neun schöne