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Coreggio.
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als eine durchgehende Eigenschaft in Coreggids Werken be-
merkt wirdf") Diese Eigenthümlichläeit führt den Coreggio
zu einer besonderen Behandlung seiner Aufgaben und zu
einer besonderen Auswahl derselben. In seinen Darstellungen
ist Alles Leben und Bewegung, selbst Humor, sogar in den-
jenigen, wo eine feierlieheiRuhe vorgeschrieben zu sein
scheint den einfachen Altarbildern); es ist das über-
quellende Gefühl des Lebens, der Drang zu Lust und Liebe,
der sich in allen seinen Gestalten ausspricht; es ist der heitere
Scherz der Kinderwelt, die Wonne und Leidenschaft der
irdischen, die Inbrunst der himmlischen Liebe, was er fast
überall dargestellt hat. Selten tritt in seinen Werken der
Schmerz in diese Welt der Freude ein; aber er ist um so
tiefer, je lebendiger der Künstler sonst die Freude zu fühlen
vermag.
Eine eigentliche Entfaltung schöner Formen tritt bei Co-
reggids Werken im Ganzen sehr wenigff) hervor; die Be-
weglichkeit, seiner Gestalten, welche ohne Rast die verschie-
denartigsten perspectivischen Verkürzungen in diesem und
jenem Theile des Gemäldes nöthig macht, steht damit in ent-
sehiedenem Widerspruch; ja die Lust an solchen perspec-
tivischen Darstellungen geht bei ihm so weit, dass er selbst
die Madonna, die in ruhiger Göttlichkeit auf ihrem Throne
sitzt, in der Regel aus der Tiefe gesehen darstellt, so dass in
der Zeichnung ihre Knie die Brust berühren. Aber statt
der Form ist bei Coreggio ein anderes Element der Schön-
heit vorherrschend dasjenige, welches man gewöhnlich
unter dem Namen des Helldunkels bezeichnet; es ist das
eigenthümliche Spiel von Licht und Schatten, welches über
das Ganze seiner Werke wiederum eine harmonische Ruhe
ausbreitet. Dies Element des Helldunkels ist zunächst eben-
falls in jenem feineren Empündungsvermögen des Künstlers
m) Es ist nicht Sentimentalität, sondern Sensibilität.
Wk) Obiges Urtheil dürfte doch mit einiger Einschränkung z. B. in
Betreff seiner Evangelisten und Kirchenväter etc. in S. Giovanni zu
Parma, seiner Jo. etc. aufzunehmen sein. v. B1.