Carottö.
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hohen Werth dieses Meisters kennen zu lernen. Er vvar in
der Schule des Andrea Mantegna gebildet, aber er hat wenig
mit der Auffassungsweise dieses Meisters gemein; er neigt
sich vielmehr ebenfalls zu der Weise des Leonardo und dürfte
vielmehr durch dessen Einfluss seine eigenthümliche Rich-
tung erhalten haben; zugleich jedoch lässt sich, namentlich
wiederum in den späteren Werken, eine eigenthümliche An-
näherung an RafaePs Styl nicht verkennen, ohne dass der-
selbe jedoch, wie wir bereits so viele Beispiele gesehen ha-
ben, verderblieh auf den Künstler eingewirkt hätte.
In seinen früheren Werken erscheint Carotto noch etwas
befangen und der älteren Richtung (namentlich dem Girolamo
dai Libri) verwandt. Seine schönste Entwickelung zeigt er
in den Werken, welche in der Kapelle degli Spolverini, in 1.
der Kirche S. Eufemia zu Verona, enthalten sind. Das Altar-
gemälde dieser Kapelle stellt in der Mitte die drei heil. Erz-
engel, und zwei weibliche Heilige auf den Flügelbildern dar.
Die Köpfe der Engel sind von überaus mildem und edlem
Ausdrucke (besonders der Engel Michael voll einer eigenen
himmlischen Reinheit), auch die Oberkörper sind sehr schön,
die Beine minder gelungen. Die beiden Weiblichen Heiligen
sind mehr statuarisch streng und kälter im Ausdrucke. Auf
einer Seitenwand dieser Kapelle hat Carotto die Geschichte 2.
des Tobias al fresco gemalt; sehr anmuthig ist von diesen,
ebenfalls vorzüglichen Bildern besonders das unterste, wo die
Mutter des Tobias ihre Schwiegertochter umarmt, während
Tobias selbst die Augen des blinden Vaters heilt. Leider
sind diese Fresken zum Tlieil übermalt und sehr beschädigt.
Carotto hat ein warmes, verschmolzenes Colorit, welches
auf eigenthümliche Weise mit der strengen Zeichnung seiner
Formen contrastirt.