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Buch III.
Italien.
XVI. J ahrhlmdert.
Rafael.
191.
worunter die vier Kirchenvater mit der Glorie der heiligen
Jungfrau und des Gottvaters von vorzüglichem WVerthe sind.
ILSchWacher ist das Bild der vier Kirchenvater im Berliner
Museum. Von einer ganz andern Seite zeigt sich Dosso in
den mythologischen und phantastischen Darstellungen, Welche
er mit Vorliebe behandelte. Ein noch befangenes, wahrschein-
lich früheres Bild dieser Art ist das sog. Bacchanal im Pallast
12-Pitti zu Florenz; eine abenteuerliche Carnevalgesellsehatt von
Herren und Damen, zum Theil halb nackt, um einen Tisch
gedrängt, auf welchem Masken, Tamburin u. dgl. liegen.
Wenn hier die Composition noch überfüllt. und absichtlich
13-erscheint, so ist der Maler in der „Zauberin Circe" (in der
Galerie Borghese zu Rom) zu freier, novellistisclier Naivetät
durchgedrungen. Angethan mit blau-roth-goldnem Pracht-
gewand und reichem Turban sitzt die individuell anmuthige
Gestalt in einer schönen Waldlandschaft, mit der Aussicht
auf eine Stadt; der Augenblick des eben zu vollbringenden
Zaubers drückt sich in der sichern, siegbewussten Geberde-
aus, womit sie eine Kerze in einem F euertopf abbrennen
lässt; sie hält in der Rechten eine Tafel mit magischen Zei-
chen, zu ihren F üssen ein Zauberkreis, ein Panzer, ein Hund,
zwei Vögel; an einen Baum sind mehrere Alräunchen be-
14 festigt; in der Ferne lagern drei Cavaliere im Grase. Eine
wilde, nächtlich gesteigerte Phantasie offenbart sich vollends
in demjenigen Gemälde, welches in der Dresdner Galerie „die
15-Träume" benannt wird. In seinen letzten Jahren (seit
1554) malte Dosso mit seinem Bruder mehrere Gemächer
des herzoglichen Pallastes von Ferrara aus; im Saal der
Aurora sind noch die mythologischen Deckenbilder erhalten;
Aurora auf ihrem "Wagen, Helios auf dem seinigen etc.; im
langem Saal die Decke und ein vortrefflicher Fries mit See-
nen des antiken Lebens, Bacchanal, Palästra, u. dgL; ähn-
liche Gegenstände in der Sala del gran consiglio; in einem
Kabinet ein mehr landschaftlich gehaltenes Bacchanal, an
welchem auch Tizian gearbeitet hat, jetzt sehr verdorben.
Manches erinnert an die Richtung des Giulio Romano, auch
lässt sich schon neben vielem Vortreiflichen eine gewisse