Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 2)

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Buch III. 
Italien. 
XVT. Jahrhundert. 
Rafael, 
189. 
190. 
Werke Polidorois. Der manierirte Idealismus seiner römi- 
schen Mitschüler weicht hier schon einem aiifektvollen und 
bisweilen überaus grellen und widrigen Naturalismus, in 
welchem wir wohl die ursprüngliche, bisher durch edle Vor- 
bilder zurückgedrängte Richtung des Künstlers zu erkennen 
haben. Aber auch in dieser Darstellung der gemeinen Natur 
offenbart er Kraft, Leben und Leidenschaft; es ist das erste 
Anklingen jenes Tones, welcher später der Grundton der 
ttineapolitanischen Schule wurde. Das Hauptbild, die in Messina 
gemalte Kreuztragung Christi, befindet sich jetzt nebst einer 
Anzahl kleinerer Bilder aus der heiligen Geschichte, in den 
Studj zu Neapel; es ist eine höchst lebendige und trotz der 
durchaus unedeln Formen ergreifende Composition, von 
düsterer, brauner Färbung, Wie die meisten spätern Werke 
l7-Polidorois. Aus der letzten Zeit desselben stammt eine ganz 
ähnlich behandelte Anbetung der Hirten im Besitz des Hrn. 
Dr. Carove zu Frankfurt a. M., mit. dem Portrait des Malers. 
ä. 190. Wie Andrea di Salerno aus einer älteren Schule, 
so traten ebenfalls mehrere Künstler aus der bolognesischen 
Schule des Franeesco Francia in RafaeYs Schule über und 
erlangten eine gewisse, im Einzelnen anziehende Eigenthüm- 
lichkeit, indem sie durch die Weise des römischen Styles 
mehr oder minder noch die Richtung des früheren Meisters 
durchschimmern liessen. Zuerst nenne ich unter diesen den 
Timoteo della Vite, oder Viti (1470-4523), gleich 
Rafael aus Urbino gebürtig, wohin er nach einem nicht gar 
langen Aufenthalte bei Rafael wieder zurückkehrte. Aus 
1_ seiner früheren Zeit, ehe er zu Rafael kam, rührt ein Ge- 
mälde in der Mailänder Brera her: Madonna mit einem En- 
gel und zwei Heiligen in einer Landschaft; die Köpfe erinnern 
2. an F rancia und Perugino. Eine heil. Apollonia in S. Trinita 
3- zu Urbino ist kalt und trocken; zwei heil. Bischöfe nebst 
Donatoren, in der Sakristei des dortigen Domes (1504), und 
eine heil. Familie im Oratorio di S. Giuseppe ebendaselbst, 
sind nicht viel ansprechender. Später, unter RafaeYs Ein- 
fluss, nahm er etwas von der freien Anmuth desselben an, 
4' ohne die umbrische Stylweise ganz aufzugeben. Aus dieser
	        
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