3-1151:
Fünftes
Capitel.
Schüler
und
Nachfolger
RafaePs
ä. 188. Rafael beschäftigte, wie ich bereits bemerkt
habe, bei seinen Arbeiten eine grosse Menge von Schülern
und Gesellen, die sich den Styl des Meisters anzueignen
strebten und denselben, wie sie fast aus ganz Italien zusam-
mengeströmt waren, nach dem Tode des Meisters weit umher
verbreiteten. (Besondere Veranlassung hiezu gab die Er-
oberung und Plünderung Roms im Jahre 1527 durch die!
Truppen Carls V.) Doch war es mit dieser Aneignung von
RafaePs Styl eine bedenkliche Sache; denn da. derselbe vor-
nehmlich in dem eigenthümlichen Schönheitsgefühle, in der
eigenthümlichen Grazie des Meisters begründet War, so ver-
leitete dies, zunächst nur die schönen äusseren Formen in
den Werken des Meisters aufzufassen und nachzuahmen, als
ob mit denselben zugleich auch der edle Geist und das reine
Gefühl, davon jene Formen der Ausdruck sind, auf die Nach-
ahmung übergehen müsse. Die Werke von RafaePs Schülern
haben somit der Mehrzahl nach etwas kalt Abgemessenes
und Nüchternes; nur in einzelnen Ausnahmen zeigt sich ein
lebendiger selbstschöpferischer Geist. Sie gewähren im Gan-
zen nicht den erfreulichen Anblick, wie etwa die Schule des
Leonardo oder wie die der Venetianer, von denen ich bald
sprechen werde.
Der berühmteste unter RafaePs Schülern ist Giulio
Pippi, genannt: G-iulio Romano (geboren etwa 1492,
gestorbenl 1546). Giulio war ein Künstler von rüstigem,
lebendig bewegtem, keckem Geiste, begabt mit einer Leich-
tigkeit der Hand, welche den kühnen und rastlosen Bildern
seiner Phantasie überall Leben und Dasein zu geben wusste,
S0 lange er unter Rafael arbeitete, ahmte er nicht nur dessen
Behandlungsweise bis zur Täuschung nach, sondern auch seine
ü) Auch für diesen Abschnitt ist das Werk von
331 u. fF. und .370 u. E.) zu vergleichen.
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