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Italien.
XVI. Jahrhundert.
Rafael.
186.
Bezug auf die Geschichte der Psyche dar. Zwei grosse
ügurenreiche Darstellungen an dem mittleren flachen Theile
der Decke: das Gericht der Götter, welches den Streit zwi-
schen Venus und Amor über die Psyche entscheidet, und
die Vermählung des Amor mit der Psyche in festlicher Götter-
versammlung. In den Stichkappen des Gewölbes Amorinen
mit den Attributen der Götter, welche der Macht der Liebe
gehuldigt haben. An' den Dreieckfeldern, zwischen diesen
Stichkappen, verschiedene Gruppen in Bezug auf die einzel-
nen Momente der Fabel. Letztere vornehmlich sind von aus-
gezeichneter Schönheit und geben Beispiele der geschmack-
vollsten Raumausfüllung. Das Bild der drei Grazien, jenes
wo Amor bittend vor Jupiter steht, ein drittes wo Psyche
von Amorinen emporgetragen wird, u. a. m. sind überaus
reizvoll und anmuthigf). Grämliche Kritiker haben diese
Darstellungen wohl als gemein sinnlich gescholten; es herrscht
in ihnen aber durchaus derselbe Adel, der überall in RafaePs
Werken ersichtlich ist; christlich religiöse Gefühle konnten
natürlich nicht darin angebracht werden, wohl aber sind sie
mit der reinsten Naivetät aufgefasst, welche stets das Zeug-
niss wahrer Sittlichkeit ist und daran nur ein befangener
Sinn Anstoss nehmen kann. In der Ausführung erkennt man
freilich weniger RafaePs feineres Gefühl; der grösste Theil
dieser Darstellungen wurde nach seinen Cartons von seinen
Schülern (vornehmlich Giulio Romano) gemalt. Zudem hatten
die Bilder sehr gelitten und mussten bei ihrer Wiederherstel-
lung durch Carlo Maratta stark überarbeitet werden. Die
vordere der drei Grazien in der obengenannten Gruppe scheint
von Rafaells eigner Hand.
2. In derselben Villa, in einem an jene Halle anstossenden
ü) Von den beiden grossen Deckenbildern, der Göttcrversammlung
und Amors Hochzeitmahl, existircn noch zwei herrliche, beinahe sechs
Fass lange Zeichnungen, leicht colorirt, welche bei theilweise sehr flüch-
tiger, ja bloss andeutender Ausführung doch an Leichtigkeit und Adel
der Awassung die Fresken so weit übertreffen, dass ich sie für Ra-
faePs Originalentwürfe halten muss. Sie waren im Jahre 1846 käuf-
lich. B.