236
Buch
III.
Italien.
XVI.
Jahrhundert.
Rafael.
Zeit und ging v0_n dort erst im vorigen Jahrhundert nach
Dresden. Nach der geistreichen Vermuthung eines neueren
Kunstkenners dürfte indess Rafael ursprünglich dasselbe als
Processionsbild gefertigt haben d). WVenn diese Vermuthung
zur Zeit freilich noch nicht schwarz auf weiss bewiesen ist,
so spricht gleichwohl die eigenthümliche Composition, sowie
die äussere Beschaffenheit des Gemäldes sehr dafür; und wir
können uns in der That keinen erhehenderen Eindruck den-
ken, als diese verklärte Erscheinung, zur Eröffnung einer
feierlichen Procession, von den Kerzen, den XVeihrauchdüften,
den heiligen Gesängen des Ordens begleitet, über den Eläup-
tern des anbetenden Volkes langsam vorübersclnvebcn zu
sehen.
In die Klasse dieser Altarbilder gehört noch das Ge-
mälde der heiligen Cäcilia, vollendet im Jahre 151-6. Es
befindet sich in der Pinakothek zu Bologna; früher war es
in der dortigen Kirche S. Giovanni a monte, und schmückte
den Altar der Bentivoglj, in deren Auftrage es gemalt war.
Es stellt die heilige Cäcilia in Mitten von vier Heiligen dar:
Johannes und Augustin hinter ihr, Paulus und Magdalena
vorn zu den Seiten des Bildes, oben in den Vvvolken eine
Glorie lobsingender Engel; zu den Fiissen der Magdalena
musikalische Instrumente, zum Theil zerbrochen. Cäcilizt
richtet den Blick zu den Engeln empor, deren Gesänge sie
vernommen; in ihren Händen hält sie umgekehrt eine Hand-
orgel, deren Pfeifen sich zu lösen beginnen (dies, sowie jene
andren Instrumente auf das Verhältniss der irdischen Musik
zu den Chören der Engel hindeutend). Johannes, ein wun-
derbar schöner Kopf, betrachtet die Begeisterung der Hejli-
gen mit sehnsuchtsvollem Entzücken, Augustin ruhiger; Pau-
lus, eine kräftige Gestalt in grossartiger Gewandung, blickt
sinnend auf die Instrumente, deren Klang verschollen ist,
nieder; Magdalena, deren milder Ausdruck noch an RafaeYs
Jugendbilder erinnert, wendet sich wiederum zum Beschauer,
i) Die Gründe für die Annahme, dass das Bild ein Processions-
bild gewesen, s. bei v. Rumohr, Italienische Forschungen III. S. 129
E. Ders. Drei Reisen nach Italien, S. 74 ff.