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Buch III.
Italien.
XVI.
Jahrhund ert.
Rafael.
184.
zu setzen gewusst hat, während die früheren Meister die Fi-
guren entweder einfach und in gleichmässiger Ruhe neben-
einander stellten oder ihnen mit gleicher Willkür, nur des
äusseren malerischen Effektes wegen, allerlei verschiedenartige
Stellungen gaben. Rafael hat drei grosse Altarblätter der Art
gemalt, Welche zugleich wiederum interessante Beispiele für
seine verschiedenartige Auffassung des Madonnencharakters
geben.
1. 'Die hlladonna von Fuligno (Vierge au donataire),
in der Galerie des Vaticans zu Rom, ist das frühste unter
diesen und etwa um die Zeit der Vollendung der Stanza della
segnatura (um 1511) entstanden. Es ward von einem Höf-
linge Julius II., Gismondo Conti, ursprünglich für die Kirche
Ara-Celi zu Rom, bestellt und kam von da nach Fuligno,
daher die Benennung. Auf dem oberen Theil des Bildes er-
blickt man Maria mit dem Kinde. auf Vvolken thronend, in
einer Sonnenglorie, die von Engelknaben umgeben ist. Un-
ten auf der einen Seite der Donator, knieend und die Hände
gegen die Jungfrau faltend; hinter ihm, stehend, der heilige
Hieronymus, der ihn der Maria empfiehlt. Auf der andern
Seite Franciscus, wiederum knieend, das Antlitz emporgewandt
und mit der einen Hand aus dem Bilde hinaus auf die Ge-
meinde deutend, für die er den Schutz der Gnadenmutter er-
licht; hinter ihm Johannes der Täufer, der den Beschauer an-
blickt, indem er zur Maria emporweist, um ihn zur Verehrung
der Gebenedeiten aufzufordern. (Die in den beiden letzten
Figuren ausgedrückten Wechselbezüge des Bildes zu der
gläubigen Gemeinde kehren von dieser Zeit ab in mannig-
facher Modification in den Altargemälden der katholischen
Kirche wieder.) Zwischen beiden Gruppen steht ein Enge]-
knabe, eine Tafel (die zu einer Inschrift bestimmt war) in
den Händen haltend. In der Ferne eine Stadt, in welche ein
Meteor oder eine Bombe fällt, und darüber ein Regenbogen,
ohne Zweifel zur Bezeichnung einer Gefahr und wunderbaren
Rettung, deren Gedächtniss das Bild gewidmet wurde. Im
Allgemeinen trägt dies Bild, so schön und würdig die Ge-
sammtanordnung, so trefflich die Ausführung einzelner Partien