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Buch III.
Italien.
XVI. Jahrhundert.
Rafael.
den mannichfaltigsten Motiven reichen Gegenstandes, alle
aber höchst anziehend wiederum durch jenen reinen Geist
der Schönheit, der auch das Herzzerreissende künstlerisch zu
fassen und so die innige Theilnahme des Beschauers zu er-
wecken wusste, während bei anderer Auffassung das Auge
nur durch empörende Scenen zurückgeschreokt wird. (Noch
eine vierte grössere Composition des Kindermordes, wo Ra-
fael in den Gestalten der verzweifelt fliehenden Mütter den-
selben hohen Reiz, dieselbe sittliche Zartheit ausgesprochen
hat, ist nach einer Zeichnung des Meisters von seinem Schii-
ler llIarc-Anton in Kupfer gestochen.)
Nach den, im Auftrage Leofs X. gearbeiteten Tapeten
wurden, bei dem grossen Beifall, den diese prächtigen Luxus-
artikel fanden, für mehrere andre Orte WViederholungen ge-
fertigt, wie sich noch gegenwärtig an verschiedenenOrten,
zu Dresden, Mantua, in England, Frankreich, n. s. w. meh-
rere Exemplare derselben vorfinden f).
ä. 180. Auch erwähne ich noch der Gestalten der zwölf
Apostel, welche nach RafaePs Entwürfen in einem, nach-
mals veränderten Zimmer des Vaticans ausgeführt waren
(grau in grau). Verrnuthlich waren dies dieselben Compo-
sitionen, welche von Marc-Anton in Kupfer gestochen wur-
den und die man noch gegenwärtig, ebenfalls von Schülern
RafaePs, an den Pfeilern der Kirche S. Vincenzo alle tre
fontane ausserhalb Rom gemalt sieht. Es sind würdige Ge-
stalten mit schöner Gewandung, doch ohne rechte Gross-
artigkeit.
Endlich vollendete Rafael in seinen let.zten Lebensjahren
(1518-2O) die Ausschmückung der Kapelle in dem päpst-
glichen Jagdschlösschen la Maglian a, einem Lieblingsauf-
enthalt Leo's X., fünf Miglien unterhalb Rom, vor Pol-m
i?) Ueber diese mehrfach vorhandenen, zum '.l'hei1 gleichzeitigen.
Wiederholungen vgl. Passavant 11., S. 273 u. f. Neun Stück der
ersten Folge, wozu bloss Pauli Gefangenschaft fehlt, waren lange Zeit
in England und sind neuerlich für die Kunstsehätze Berlins erworben
und in der Rotunde des ältern Museums aufgestellt worden. Schon
Heinrich VIII. soll sie, und zwar aus Italien, bekommen haben.