176.
Vatican.
Heliodor;
Messe
Bolsena.
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schiinder loszuschlagen, schweben zu seinen Seiten. Dies ist
eine Gruppe voll der wunderbarsten, ergreifendsten Poesie;
sie ist wie der Blitz des göttlichen Zornes, der die Ver-
brecher niederschmettert. Gegenüber, auf der anderen Seite,
ist eine dicht zusammengedrängte Gruppe von Weibern und
Kindern, reizend bewegt in dem Ausdrucke des Staunens
und Schreckens. Neben ihnen wird der Papst Julius IL, auf
einem Tragstuhl sitzend, in den Tempel getragen; seine
Gegenwart bezeichnet die" näheren Bezüge des wunderbaren
Vorganges auf die Verhältnisse der Gegenwart. Dies Bild
enthält die geistreichste Entwickelung einer ausgedehnten
Handlung, Beginn und Folge derselben in sich einschliessend;
es ist die trefflichste Darstellung eines heftig bewegten, schnell
vorübergehenden Momentes. (Nur die theilnahmlose Ruhe in
der Gruppe des Papstes stört in dieser Beziehung; man
möchte wünschen, dass sie mehr als einen äusserlichen Be-
zug, dass sie selbst eine individuelle Theilnahme an dem Vor-
gange enthielte.) Im Einzelnen zeigt sich eine unübertreif-
liche Naivetät und Anmuth in Form. und Bewegung der Ge-
stalten, im Ganzen eine grossartig freie, die Totalwirkung be-
rechnende Ausführung, wenn auch nicht überall mehr des
Meisters eigne Hand das Werk ausgeführt haben sollte.
2) Die lVlesse von Bolsena (Fensterwand). Dar-
stellung des Wunders, welches im Jahre 1263 einen an der
Transsubstantiation zweifelnden Priester von der Wahrheit
dieser Lehre durch das Blut überzeugte, das aus der von
ihm geweihten Hostie floss. Wie im vorigen Bilde der
Schutz der Kirche in ihren äusseren Verhältnissen, so wird
in diesem ihre Sicherung nach innen, gegen Zweifler und
Ketzer, und die Unfehlbarkeit des päpstlichen Glaubens vor-
gfßführt, ohne Zweifel ebenfalls in Bezug auf die Zeitverhält-
msse, auf jene Gährung in den Gemüthern, welche dem bald
darauf erfolgten Ausbruchs der Reformation voranging.
111 dißßem Bilde ist die Vereinigung jener wunderbaren Be-
gebenheit mit den Personen der Gegenwart in zwar einfacher
über hößhßt meisterhafter und befriedigender Weise durch-
geführt. Ueber dem Fenster der Wand erblickt man einen