Vatican.
und
Dispute,
Parnass.
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der Mitte der Erlöser mit ausgebreiteten Armen, auf Wolken
thronend; zu seiner Rechten Maria, süss und hold, sich mit
inniger Verehrung vor dem göttlichen Sohne neigend, zur
Linken Johannes der Täufer. Ueber dem Erlöser erscheint
die halbe Gestalt des Gott-Vater, unter ihm schwebt die
Taube des heiligen Geistes. Diese GTUPPG umgeben, im
Halbkreis auf Wolken sitzend, die Erzväter, Apostel und
Heilige, höchst erhabene und würdevolle Gestalten, in edelster
Feier und Gemessenheit der Bewegungen. Ueber ihrer Reihe
schweben auf jeder Seite drei höchst reizvolle Jünglingsengel;
unter ihnen, fast. wie die Träger des Vvolkensitzes, eine
Menge von Engelköpfen, und vier zarte Engelknaben mit
den Büchern der Evangelien zu den Seiten der Taube.
In der unteren Hälfte des Bildes erblickt man eine Versamm-
lung der berühmtesten Theologen der Kirche. In ihrer Mitte,
auf Stufen erhöht, ein Altar mit der Monstranz (als mystische
Bezeichnung der körperlichen Gegenwart des Erlösers auf
Erden). Dem Altare zunächst, zu beiden Seiten, sitzen die
vier lateinischen Kirchenvater; neben und hinter ihnen stehen
verschiedene andere der berühmtesten Lehrer der Kirche.
Zu äusserst sind auf beiden Seiten Gruppen verschiedener
Jünglinge und Männer dargestellt, welche sich zur Offen-
barung des göttlichen Geheimnisses herzudrängen, theils in
begeisterter Eingebung, theils noch zweifelnd und, wie es
scheint, disputirend, theils auch als Sektirer. Ueberall sind
hier die Gestalten, vornehmlich was den Ausdruck der Köpfe
anbetrifft, zur ergreifendsten, charaktervollsten Individualität
ausgebildet, mit der liebevollsten Durchdringung des Einzel-
nen belebt. Diese sorgfältige, "selbst noch fast an das Müh-
sflmß grenzende Behandlung des Einzelnen ist es vornehm-
hch, was auch dies Werk noch als ein früheres charakterisirt,
während bei den folgenden mehr und mehr die Rücksicht auf
dle Gesammtwirkung hervortritt. Das Feierliche und Strenge
im Obem Theile des Gemäldes, ebenso auch die Goldlichter
und dergl- ist minder (wie man gewollt hat) als eine unbe-
wusste Nachwirkung der älteren Kunstweise zu betrachten,
als 88 Vielmehr der mystischen Bedeutung desselben überhaupt
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