192
Buch III.
Italien.
XVI. Jahrhundert. Rafael.
grosse Menge anderer Künstler um sich zu versammeln,
welche unter seiner Leitung an jenen Arbeiten Theil nahmen
und sich den Styl des Meisters anzueignen strebten.
Die päpstliche Macht hatte zu jener Zeit, kurz vorher
ehe die deutsche Reformation ihr kämpfend entgcgentrat,
ihren höchsten Gipfel erreicht; sie hatte eine Ausdehnung
des Landgebietes, der kriegerischen Schutzmittel gewonnen,
wie früher nie; ihr geistiger Einfluss auf die Völker der
Christenheit war unberechenbar. Diese Macht zu verherr-
lichen, Rom als den Mittelpunkt geistiger Bildung darzu-
stellen, waren die Gemälde RafaeYs im Vatican bestimmt,
Sie füllen die Wände und Decken in drei Zimmern und
einem grösseren Saale, welche gegenwärtig den Namen der
Rafaelischen Stanzen führen. Als Belohnung erhielt Rafael
für jedes der grossen Wandgemälde 1200 Goldscudi, d. h.
etwa 2000 Piaster..- Die Malereien sind sämmtlich a1 fresco
ausgeführt. Die an den gewölbten Decken jener drei Zim-
mer sind verschieden angeordnet; an den Wänden derselben
ist auf jeder Seite ein grosses Gemälde, unter deinHalbkreis-
bogen des Gewölbes; darunter grau in grau gemalte Sockel-
bilder, welche Anspielungen auf die Gegenstände der Haupt-r
bilder enthalten, sowie sich diese auf die zunächst stehenden
Malereien des Gewölbes beziehen. Je zwei Wände eines
jeden Zimmers sind durch Fenster unterbrochen, was dem
Künstler zu einer sehr eigenthümlichen Anordnung der darauf
befindlichen Gemälde Anlass gegeben hat. In dem grösseren
Saale ist eine andre Anordnung der Bilder befolgt. In
späterer Zeit, als die Päpste ihre Wohnung auf den Quirinal
verlegt hatten, wurden die Stanzen wenig beachtet; im An-
fange des vorigen Jahrhunderts fanden sich die Gemälde
säunntlich mit Schmutz überzogen, die Sockelbilder grossen-
theils verdorben. Carlo Maratta, ein verdienstlicher Künstler
seiner Zeit, reinigte die Bilder mit grosser Sorgfalt und stellte
die Sockelbilder, so gut es gerade ging, wieder her. In die-
sen ist somit gar Vieles von Marattas eigner Iland, selbst
von seiner eignen Composition; ich werde demnach diese,