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Zweiter
Horentinischer
Aufenthalt.
Madonnen.
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Fächerpalme und halt das Christuskind auf ihrem Schoosse,
dem der heilige Joseph knieend Blumen überreicht. Doch
ist letzterer entweder von einer andern, unbedeutenden Hand
gemalt oder ganz und gar übergangen. Das Bild ist über-
haupt in schlechtem Zustande.
An dieses Bild dürfte sich zunächst die „Jungfrau im 2.-
Grünen", in der k. k. Sammlung zu Wien, anschliessenf"
Hier ist Maria in einer anmuthigen Landschaft. dargestellt,
das Christkind vor ihr, stehend, welches sie mit beiden
Händen unterstützt, der kleine Johannes zur Seite knieend,
der dem Gespielen ein Rohrkreuz überreicht und zu dem sie"
sich liebevoll umwendet. Ein Bild von zarter Anmutli und
Lieblichkeit, welches mehr als irgend ein anderes im Aus-r
drück der Köpfe, in der Körperbildung der Kinder, selbst
im Faltenwurf und in dem tiefen, bräunlichen Tone der Land-
schaft den Einfluss Leonardds zeigt. Verwandt mit dieser
Composition sind zwei andre Bilder. Das eine ist die Ma- 3.
dünna del Cardellino in der Tribune der Üffizien zu
Florenz. Hier überreicht der kleine Johannes dem Christ-
kinde einen Stieglitz (daher der Name des Bildes). Gestalt
und Gesicht der Maria sind hier von der reinsten Schönheit,
ihr ganzes Wesen ist der Ausdruck eines beseligenden Frie-
dens. Auch Johannes ist ungemein zart; bei dem Christ-
kinde jedoch überstieg die Aufgabe, welche sich der Künstler
gesetzt hatte, göttlichen Ernst und Hoheit im Kinde darzu-
stellen, noch seine Kräfte, und die Figur wie der Ausdruck
des Gesichtes sind noch steif und etwas pretiös. Das dritte 4.
dieser Bilder ist die sogenannte schöne Gärtnerin (la
belle jardiniere), bez. 1507, im Museum von Paris. Dies Bild
gehört der späteren Zeit von RafaePs Aufenthalt in Florenz-
an, und wenn es eine ziemlich ähnliche Composition, wie die
beiden obengenannten, darstellt, so ist hier doch alles Un-
genügende und Beengende verschwunden. Es ist ein Bild
der freundlichsten Heiterkeit, der liebevollsten Amnuth und
Unschuld; zwischen blühenden Kräutern, wie in einem Gar-
ten (daher wohl der Name) sitzt hier hlaria; Christus steht
vor ihren Knieen und Johannes kniet in kindlicher Hingebung