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Buch III.
Italien.
XVI. Jahrhundert.
Florenz.
170.
Andrea eigenthiimlichen Darstellungsweise sieht man an der
8. sogenannten Madonna di- San Francesco (auch Madonna
delle arpie, nach den Harpyienfigürchen des Fussgestells),
welche sich in der Tribune der Uffizien zu Florenz befindet:
Maria mit dem Kinde, auf einem Altärchen stehend und von
zwei Engelknaben gehalten, Franciscus und Johannes der
Evangelist zu ihren Seiten; beide Heilige von schönem, wür-
9. digem und mildem Ausdruck. Unter den Altargemälden,
welche sich jetzt im Pallast Pitti befinden, ist vorzüglich die
sog. Disputa della SS. Trinita geeignet, die innere Verwandt-
schaft Andrezüs mit der Richtung der Venetianer zu verdeut-
lichen. Es ist eine Conversation von sechs Heiligen; vorn
knieen, andächtig horchend, S. Sebastian und S. Magdalena;
von dem was S. Augustin in höchster Begeisterung spricht,
wird S. Dominicus mit dem Verstande, S, Franciscus mit dem
Herzen überzeugt; S. Laurentius blickt gesammelt vor sich
hin. Zu den vortrefflichen Gegensätzen in Ausdruck und
Geberde kommt hier noch die höchste Schönheit in der Aus-
10-fül1rung, besonders im Colorit. Ein todter Christus zwischen
seinen Angehörigen ist, wie Andrea es liebte, vollkommen
symmetrisch componirt, übrigens reich an schönen Einzel-
heiten. Auch ausserdem findet man eine reiche Anzahl mehr
oder minder trefflicher Gemälde Andrea's in den florcntiuischen
Galerieen.
Im Jahre 1518 war Andrea von dem kunstliebenden
Könige Franz I. nach Frankreich berufen worden und hatte
dort für den König und die Grossen des Hofes eine Anzahl
Gemälde gefertigt. Er war dort sehr wohl aufgenommen
und auf eine WVeise belohnt worden, wie er es in Florenz
nimmer erwarten konnte. Gleichwohl liess er sich durch die
Bitten seiner eigensinnigen und herrschsüehtigen Frau bestim-
men, Paris bereits im folgenden Jahre unter einem ersonnenen
VQrxwYande zu verlassen, ja sogar Gelder, welche der König
ihm zum Ankauf" von Kunstwerken nach Italien mitgegeben
hatte, zu veruntreuen. Naohmals gereuete ihn dieser leicht-
sinnige Schritt liöehliehst, aber es gelang ihm nie, die Gunst
des Königs wieder zu gewinnen. Gewiss ist diese Begeben-