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Fra
Bartolommeo.
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zwar nicht zu solcher Tiefe und Erhabenheit, wie jene beiden,
gediehen sind, welche aber in eigenthümlieher Vollendung
ihren Platz zu deren Seiten behaupten.
Der erste von diesen ist Baccio della porta, welcher
nachmals, als er in das Dominicanerkloster S. Mareo zu
Florenz trat, den Namen Fra Bartolommeo annahm (geb-
1469, gest. 1517). Ursprünglich in der Schule des Cosimo
Rosselli "gebildet, empfing er nachmals, wie es scheint, vor-
nehmlich durch die Werke des Leonardo diejenige Richtung,
die seiner Eigenthüinlichkeit angemessen war. Fra Bartolom-
meo war ein Künstler voll stillen Ernstes, voll schlichter
Würde und Anmuth. -Der religiöse Ausdruck seiner heiligen
Gestalten ist nicht mehr, Wie bei den älteren Meistern, ge-
müthlich befangen, sondern mehr aus einer bewussten Er-
hebung hervorgegangen. Eine edle Milde, wie sie das Eigen-
thum des Leonardo und seiner Schule ist, verbreitet sich über
dieselben und seine Madonnen verbinden mit dem Gepräge
der Heiligung zugleich den Ausdruck einer schönen Weib-
liehkeit. Auch lebte in ihm ein Sinn für ideale Grösse der
einzelnen Form, welcher vielleicht am passlichsten mit den
Anfängen Blichelangelds zu vergleichen ist. Aber der Kreis,
in welchem Fra Bartolommeo sich mit Glück bewegt, ist
nicht weit gezogen; es fehlt ihm insgemein an derjenigen
innerlichen Kraft, welche zur Durchdringung und Vollendung
grossartig erhabener Aufgaben nöthig ist; er erscheint in
solchen auf der einen Seite nicht selten kalt und abgemessen,
auf der andern unruhig und hastig. WVas seine Technik an-
betriEt, so ist sein Colorit, besonders im Nackten, ungemein
weich; von Leonardo scheint er sich den eigenthümlichen
Schmelz des Vortrages angeeignet zu haben; auch im Falten-
wurfe ist er sehr ausgebildet. (Er zuerst führte den Gebrauch
des hölzernen Gliedermodells ein, welches das Studium der
Falten so sehr erleichtert). Seine Compositionen stellen häufig
nur einfache Madonnen, von Heiligen umgeben, dar, W056i
er jedoch durch prachtvolle Architekturen und kunstfeißhe
Gruppenvertheilung zu imponiren weiss. Mit beStändefi-Ir Vor-
liebe bringt er auf solchen Gemälden Engelknaben an, welche