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Buch III.
Italien.
XVI. Jahrhundert.
Leonardo.
ten. Auch seine Oelgemälde zeichnen sich meist durch Tiefe
und Klarheit (nicht. aber durch Harmonie) der Farbe, und
ziusserdem durch seelenvollen Ausdruck, eine oft schr schöne
Lebendigkeit und eine reiche Fülle der Darstellung aus,
wenn ihm auch jene höhere Gemessenheit der grosscn Mei-
1. ster fehlt. Ein früheres Werk von grösstem Werthe, welches
eine ähnliche Verwandtschaft. des Meisters zu Leonardo zeigt,
wie etwa die Arbeiten seines Landsmannes Soddoma (von
2. Vcrcelli), befindet sich in der königl. Galerie zu Turin; es
stellt die Klage um den todten Christus dar. Ein Altarblatt
von 1524 in der neuen Sakristei des Domes von Novara,
3. ein hlartgyrium der heil. Catharina in der Brera (grandios und
4. höchst lebendig, ein Werk freister Meisterschaft), eine Heim-
suchung Maria, ehemals in der Sollfschen Sammlung zu
5. London, und eine überaus liebliche Madonna mit Exigeln und
Heiligen unter einem Orangenbaum, im Chor von S. Cristo-
foro zu Vercelli gehören ebenfalls zu seinen besten Staffelei-
6. bildern; dagegen sind zwei Temperagemäiltle im Dom von
Como (u. a. eine Flucht nach Aegypten) bei aller Kraftfiille
7. schon nachlässig und manierirt. Von Gaudenziols Fresken
finden sich manche in der Galerie der Brera, welche gröss-
tentheils aus S. Maria della Pace stammen, und die Geschichte
der heil. Jungfrau darstellen. Sehr interessant ist unter die-
sen die Geschichte der Aeltern der Maria auf drei zusammen-
gehörigen Bildern. Die Seitenbilder enthalten das Leiden
der beiden Gatten nach ihrer Trennung, vorzüglich schön
das linke, auf welchem Anna sitzt und die Vorwürfe ihrer
Magd anhören muss; beides sind treffliche und sehr edel ge-
zeichnete Gestalten. Das Mittelbild stellt den Trost dar, der
ihnen gewährt wird. Hier sieht man im Hintergrunde eine
reiche Stadt (Jerusalem); ein Wassergraben, der bis zum
Vorgrunde heranlauft, trennt das Bild in zwei gesonderte
Handlungen; auf der einen Seite steht Anna, auf der andern
Joachim bei den Hirten, beide emporschauend zu den En-
geln, die ihnen das "Heil verkünden. Im Hintergrunde, vor
dem Thore der Stadt, begegnen sich beide Gatten und um-
armen einander. Das grossartig Freie der Conception, ver-