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Buch III.
Italien.
XV I. Jahrhundert.
Leonardo.
161.
Ausserdem besitzt-Mailand und die Umgegend noch ver-l
sehiedene vorzügliche Originalgemälde Leonardois, sowie zahl-
reiche, meist von seinen Schülern gearbeitete Copien der-
selben Gegenstände, welche gleichfalls nochzur Bezeichnung
13. seiner Thätigkeit in Blailand anzuführen sind. Dahin gehört
besonders eine Madonna mit dem Kinde, früher im Hause
Araciel zu Mailand befindlich. Maria hält hier das Kind mit
beiden Isländen, das ihr Kinn fasst, wie um sie zu küssen,
doch das Gesicht zum Beschauer wendet; auch Maria blickt
mit geneigtem Haupte den Beschauer an. Das Ganze ist
von höchst liebreizendem Ausdrucke und von schöner Voll-
14. endung. Ebenso auch das Brustbild einer Mater dolorosa,
höchst grossartig, edel und von der gefühltesten Ausführung
15. Mehrfach ist. in dieser Gegend die Composition einer
heiligen Familie (la vierge au basrelief) Verbreitet, deren
Original sich, wie es scheint, in England beim Lord War-
wiek auf dessen Landsitz Gattonpark befindet: Maria, Welche
das Christuskind zur Rechten auf ihrem Schoosse hält und
den mit gefalteten Händen hinknieenden kleinen Johannes
umfasst, der von Christus freundlich und segnend geliebkost
wird. Rechts im Hintergrunde steht Joseph, mit kreuzweis
über einander geschlagenen Armen, ein alter Kopf mit einer
her aufbliihenden Nachkommenschaft. Hier aber scheint Leonardo
nicht diese näher liegende Vorstellung verfolgt zu haben; auch lag es
in seiner Art, über das Nächste hinauszugehen. Entweder mag er auf
das verlorne Paradies haben anspielen, daher Kummer und Sorgen und
ein sehnsüchtiges, unbefriedigtes Verlangen ausdrücken wollen, oder es
lag ihm sonst irgend ein mystisches Wesen im Sinne, wozu denen der
Schlüssel gefehlt, welche in späterer Zeit seinen Gegenstand wieder
aufgenommen haben.... Es liegt mir deutlich im Gedäehtniss, dass
Leonardo dieses Bild in Oel gemalt hatte. Sowohl desshalb, als auch,
weil Vasari des Bildes nicht erwähnt, halte ich es für eine Arbeit sei-
ner mailäinclischen Zeit. Der violett schmutzige Localton der Carnation
stimmt überein mit den Bildnissen des Lodovico Sforza und seiner Ge-
mahlin, welche in der Galerie der Ambrosiana zu Mailand aufgestellt
sind." Vgl. die Notizen Passavants, Kunstbl. 1844, S. 118. D. Kstbl-
1853, S. 188, und cbendas. 1856, S. 272, wo er nur, die Composition
dem Meister zugestehen will, die Ausführung einem untergeordneten
Schüler zuschreibt.
'39) Ueber beide Compositionen s. Fumagalli a. a. O.