Mosaiken.
Ravenna.
San Vitale.
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den seitwärts heraufgezogenen Augbraunen vorwärts ge-
wandt. lhm folgen vornehme Hofleute, ohne Zweifel eben-
falls Porträts, und nächst ihnen die sehr kenntlichen, blonden
germanischen Leibwachen mit Speer und Schild. Erzbischof
Maximian mit seinem Klerus kommt dem KßiSCr entgegen;
auch er mit seiner Glatze und den pathetisch zugedrüekten
Schlitzaugen ist ein Charakterbild für jene Zeit. Links,
gegenüber, ist die Kaiserin Theodora, umgeben von pracht-
voll geschmückten Hofdamen und Eunuchen, auf ihrem Kirch-
gang abgebildet; sie trägt ebenfalls den dunkelvioletten (pur-
purnen) Kaisermantel; von ihrem barocken Diadem hängt
eine ganze Cascade von Perlen und Juwelen herab, und dient.
als Rahmen für ein blasses, schmales, höchst bedeutendes Ge-
sicht, dessen grosse hohlliegende Augen, sammt dem kleinen,
lüsternen Munde, die ganze Geschichte des ebenso klugen
als herrschsüchtigen, wollüstigen und erbarmungslosen Weibes
erzählen. Vor ihr öffnet ein Kämmerer einen reichgestickten
Vorhang; man blickt in den Vorhof einer Kirche, der durch
einen Reinigungsbrtlnnen angedeutet ist. J ustinian und Theo-
dora sind durch glänzende Nirnben ausgezeichnet, eine Hul-
digung, Welcher sich der damalige Künstler nicht entziehen
konnte, während er im Uebrigen von Sehmeicheln und Ideali-
siren offenbar nichts gewusst hat. Von etwas geringerer 4.
Ausführung sind die Mosaiken des hohen viereckigen Rau-
mes vor der Nische, welche dafür als alttestamentliche Sym-
bole des Messopfers bedeutend und bezeichnend sind. Am
Gewölbe zwischen grüngoldnem Rankenwerk auf blauem
Grunde, und grünem auf Goldgrunde schweben vier Engel,
antiken Victorien ähnlich, auf WVeltkugeln; unter ihnen, in
den vier YVinkeln, vier Pfauen als Sinnbilder der Unsterb-
lichkeit. An der Oberwand über der Nische halten zwei an-
Inuthig schwebende Engel einen Schild mit dem Zeichen
Christi; zu.beiden Seiten prangen die ganz aus Juwelen er-
bauten Stäidte Jerusalem und Bethlehem; darüber WVeinran-
ken und Vögel auf blauem Grunde. An den beiden Seiteu- 5.
Wänden sind in eine schwer zu beschreibende architek-
tonische Einfassung die schon erwähnten Darstellungen ver-