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Buch I.
Christl. Alterthum.
Spätrömischer Styl.
1, ä. 15. Im Jahre 545 wurde die Kirche San Vichele
in Af f ricisco eingeweiht, deren schöne hlosaiken (der
triumphirende Erlöser zwischen Engeln und Erzengeln, in
der Nische und dann am Nischenbogen wiederholt) neulich
abgenommen und an die preussische Regierung verkauft. wor-
2. den sind. Zwei Jahre später, A. 547, erfolgte die Ein-
weihung der berühmten Kirche San Vital e, deren "Mosaiken
sonach kurz vorher vollendet sein mögen. Leider ist uns nur
der Schmuck der Hauptnische und des davor befindlichen,
gewölbten viereckigen Raumes erhalten, welche sich auf die
Stiftung und WIeihung der Kirche und auf das Opfer des
Abendmahls beziehen. Goldgrund und blauer Grund theilen
sich hier schon in die Darstellung, indem jener sich auf die
Nische und auf zwei von den vier Abtheilungen des vorderu
Gewölbes beschränkt. In der I-Ialbkuppel der Nische sieht
man einen noch sehr jugendlichen Christus auf der Weltkugel
thronend; zu seinen Seiten zwei Engel, S. Vitalis (als Hei-
liger der Kirche, und der Bischof Ecelesius (als Gründer
derselben), ein Kirchenmodell darbringend; unten auf einer
grünen "Wiese lliessen die vier Paradiesesströme; der goldene
Hintergrund ist von rothblauen WIölkchen durchzogen. Es-
sind würdige, edle Gestalten, besonders Christus, dessen
ideale jugendliche Darstellung von da an kaum mehr vor-
kömmt. In der Gewandung zeigt sich schon viel Conven-
tionelles, zumal in der Art des Schattirens, doch überwiegt
3_ noch die Wahrheit bei weitem. An der untern cylindrischen
Nischenwand befinden sieh zwei grosse Ceremoniendarstel-
lungen auf Goldgrund, welche schon als beinahe einzige er-
haltene Denkmäler höherer Profanmalerei aus jener Zeit von
hohem Werthe und als Costümbilder vollends unschätzbar
sind. Rechts sehen wir das Verhältniss des Kaisers Justi-
nian zur ravennatischen Kirche in lebensgrossen Figuren
dargestellt. In höchstem Putz, mit purpurnem, golddurch-
wirktem Mantel angethan, schwer belastet mit dem Diadem
und einer wahrhaft ungeheuern MantelagraHe, schreitet J u-
stinian einher, kostbare Geschenke in den Händen, das regel-
mässige, aber hochmüthig aufgedunsene, gemeine Gesicht mit