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Buch I.
Christl.
Alterthum.
Spätrömischer Styl.
3. stens in Rom der blaue Grund vorherrscht. In der Nische
selbst auf dunkelblauem Grunde zwischen bunten goldran-
digen Wlolkcn schwebt. in kolossaler Grösse Christus, die
Rechte redend oder segnend erhoben, in der Linken eine
Schriftrolle, über ihm die Hand als Symbol des ewigen Va-
ters, Unten zu beiden Seiten führen ihm Petrus und Pau-
lus die hh. Cosmas und Damian mit Kronen in den Händen
zu, auf welche rechts der heil. Theodor, links der Gründer
der Kirche, Papst Felix IV. (eine leider ganz erneuerte Fi-
gur) folgt. Zwei goldglitzernde Palmen, auf deren einer das
Symbol der Unsterblichkeit, der Phönix mit sternförmigcm
Nimbus erscheint, scliliessen das Bild auf den Seiten; unten
ist durch ebenfalls goldschimmernde WVasserpilanzen der J or-
dan angedeutet. Der Christus darf wohl als eine der wun-
derbarsten Gestalten mittelalterlicher Kunst bezeichnet wer-
den; Antlitz, Stellung und Gewandung geben ihm einen Aus-
druck ruhiger lWajestät, der sich später viele Jahrhunderte
lang nicht mehr mit solcher Schönheit und Freiheit wieder-
lindet; besonders ordnet sich die Gewandung in herrlichen
Linien, und nur in ihrer etwas überzierlichen Detaillirung
zeigt sich ein weiteres Abgehen von dem antiken Styl. Die
Heiligen stehen noch nicht starr und parallel neben einander,
sondern schreiten heran, und zwar so, dass ihre Gestalten
sich etwas verschieben, doch liegt. in ihrem Schritt bereits
etwas Unbeholfenes und Lebloses. Petrus und Paulus tragen
das gewohnte Idealkostüm, Cosmas und Damian schon eine
spätrömische Tracht, violette Mäntel in Goldstoff mit rothen
Stickereien, von barbarisch-orientalischem Aussehen. Die
meisten Gewandmotive sind sonst von grosser Schönheit, nur
an Falten etwas zu reich; an den Lichtstellen ist durch ein-
gesetzte Gold- u. a. Glanzstifte ein prächtiges Schillern her-
vorgebracht, welches die Gestalten kräftig aus dem dunkel-
blauen Grund hervorhebt; überhaupt offenbart sich hier noch
ein Farbensinn, von welchem spätere Mosaiken auf Gold-
grund keinen Begriff mehr geben. Die Köpfe sind mit Aus-
nahme der Hauptügur individuell und lebendig, aber ohne
besondere Tiefe des Ausdruckes und in der Physiognomie