50
Buch
Ohristl.
Alterthum.
ken ist. Noch Eusebius von Cäsarea weigert sich aus re-
ligiösen Gründen geradezu, der Schwester Constantins ein
Bildniss Christi zu verschaffen, und sogar ein Jahrhundert
später erklärt Augustin, man wisse von Christi körperlichem
Aussehen gar nichts. Allein die Tradition davon, und wäre
sie auch ohne allen historischen Kern ganz willkürlich erfun-
den gewesen, musste dem damaligen, grossentheils erst dem
Heidenthum entrissenen Geschlecht so wichtig, und der ver-
hältnissmässig nur kurzen Zwischenzeit wegen so glaublich
vorkommen, dass aller Theologie zum Trotze die Bildnisse
Christi doch überhand nahmen, mochte man nun die Üeber-
lieferung zurückführen auf ein von Jesus selbst, oder von Pis
latus, oder vom Apostel Lucas, oder (nach späterer Ansicht)
von Nicodemus gefertigtes Bildniss, oder auf einige zwar
unächte, aber doch alte schriftliche Aufzeichnungen, wie z. B.
der Brief des Lentulus an den römischen Senat, der seiner
ursprünglichen Abfassung nach wohl noch dem dritten Jahr-
hundert angehören kann. Lentulus (den man jedoch wi-
der die Geschichte zum Vorgänger des Pilatus in der
Statthalterschaft von Palästina macht) schildert Christum: „als
„einen Mann von hohem Wuchs, von ernstem und imposan-
„tem Antlitz, welches Die, so ihn sehen, sowohl lieben als
"fürchten können; seine Haare sind weinfarben (wahrschein-
„1ich ist hier eine ganz dunkle Farbe gemeint), und bis zu
„den Ohren straff und glanzlos, von da bis auf die Schultern
„aber gelockt und glänzend; von den Schultern wallen sie
"abwärts und sind gescheitelt nach der Sitte der Nazaräer
"(irrthümlich statt Nasiräer). Die Stirn ist eben und heiter,
"das Gesicht ohne Flecken, angenehm durch eine massige
„Röthe. Die Nliene ist edel und einnehmend, Nase und
"Mund ohne Tadel, der Bart reichlich und von der Farbe
"des Haupthaares, in der Mitte gespalten, die Augen blau
L
i?) Vielleicht giebt uns ein uraltes, möglicherweise sehqn dem drit-
ten Jahrhundert angehörendes, stark restaurirtes Mosaik des museo
cristiano im Vatican einen Begriä von der Art, wie sich die aufgeklär-
ten Heiden Christum denken mochten. Es ist ein bärtiger Proülkopf,
der ungefähr dem damaligen Philosophentypus entspricht.