Franz
Theodor
Kugler.
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schäftigt, liess er sie nicht, bis er sie sich ganz unterworfen
hatte. Vom Schreibtisch aufstehend, wo sein ganzes Wesen
seinen Gegenstand gefasst hielt, nahm er ihn mit auf seine
weiten mehrstündigen, durch kein Wetter unterbrochenen und
mit sehr rüstigem Schritte vollbrachten Spaziergänge. Trat
er dann zu den Freunden ein, so liebte er wohl, an das
nächste Wort anknüpfend, das eben in Gedanken Zur-echt-
gelegte mitzutheilen und durclizusprechen, worauf er jedem
andern Interesse mit Lebhaftigkeit zugewandt War. Dieser
Stetigkeit und Energie im Arbeiten ist die Fülle dessen, was
er in seinem Lebenstagewerk vor sich gebracht hat, zuzu-
schreiben, keineswegs einem dumpfen Stubensitzen und einem
Abschliessen vor der Geselligkeit. Im Gegentheil war der
letztern durchaus der Abend gewidmet. Nichts war behag-
licher, bezaubernder, als ihn zur Theestunde von seinem
Studirzimnier hereintreten zu sehen, um mit seiner Familie
und den Freunden, die sich gern dort sammelten, den Abend
zu verplaudern. Da wurden anregende und ernste Gespräche
geführt, wie sie die Beschäftigungen und Arbeiten des Tages
erzeugten; da las er er war ein höchst ausgezeichneter
Vorleser ein beliebtes poetisches Kunstwerk der Literatur-
epoche, die eben das Interesse in Anspruch nahm, oder ein
neuentstandenes Werk, das im Manuscript vorlag; da wurde
musicirt, und wie unerschöpflich er selbst in der Mittheilung
von Liedern War, ist schon erwähnt worden, da wurde ein
Zeichentisch etablirt, man porträtirte und sass zum Porträt;
da wurden Verse und Gedichte improvisirt kurz es fehlte
niemals an einem angenehmen künstlerischen Verkehr, an
Welchem er gern die Jünger aus allen Kunstarten theilnehmen
liess. Niemand ging ohne geistige "und gemüthvolle Anregung
und Erfrischung aus diesen einzigen Abendcirkeln, deren
Seele er war.
Von Gestalt war er stattlich, mit einer leichten Neigung
Zur Wohlbeleibtheit. Herrlich aber war sein Haupt. Man
hat es oft einen Sokrateskopf genannt. Aber seine Stirn war
höher gewölbt, als wir es an der Büste des griechischen
Weisen sehen. Als er als Jüngling zum alten Schadow ein-