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Altvenezianische
Schule.
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drei Rundbildern die Madonna und zwei Propheten enthält,
alles in Mosaik von der Hand des schon erwähnten Giam-
bono, um 1430 begonnen. WVährend im übrigen Italien
diese Kunstgattung schon fast gänzlich aufgehört hatte, weil
sie dem ungeheuer gesteigerten Kunstbedürfniss nicht mehr
zu folgen im Stande war, errang sie hier, wo man sie zur
Vollendung der Marcuskirche nicht entbehren konnte, noch
einen ihrer bedeutendsten Erfolge. Zwar ist das höhere,
architektonische Princip, welches im Styl der altern Mosaiken
zur Erscheinung kam, hier nicht mehr beobachtet; es sind
historische Gemälde von sehr entwickeltem Styl, in sauberes,
feines Mosaik übersetzt; allein die Gemessenheit der Ver-
theilung, die Schönheit und der Ausdruck der Gestalten, die
leuchtende Farbe und der prachtvolle architektonische Hinter-
grund, Welcher überdiess perspectivisch richtig ist, ertheilen
diesem Werke nicht bloss den Vorzug vor allen übrigen Mo-
saiken dieser Kirche, sondern eine hohe Stellung in der da-
maligen Historienmalerei überhaupt. Der Künstler, welcher
sich in einer Beischrift ausdrücklich als! Venezianer nemit,
starb um 1450. I
Wie die altvenezianische Schule aber zu dieser Ent- 9_
wickelung gelangte, bleibt noch ungewiss. Ein direkter Ein-
fluss von der Schule Giottds her lässt sich nirgends nach-
weisen; es sind mehr nur die allgemeinem Typen des
gothischen Styles, welche sich allmälig Bahn brechen. Was
aber die Besonderheiten der Schule betrifft, so fühlt man sich
versucht, dieselben mit den Culturbedingungen Venedigs in
Verbindung zu bringen. Es liegt, möchte man sagen, in der
Natur einer reichen mittelalterlichen Handelsaristokratiel, von
der Kunst eher eine augenbestechende Pracht und Zierlichkeit,
Womöglich in tragbarer Gestalt, sei es nun Hausaltar oder
öäeutliehes Weihgeschenlz, zu verlangen, als grosse, monu-
mentale Arbeiten, welche eine ganze Welt von Ereignissen
und Gedanken in einer allerdings mehr nur andeutenden
Ausführung enthalten. Die gleichzeitige iiandrische Malerei,
welche unter ähnlichen Bedingungen analoge Eigenschaften
entwickelte, gewährt, dieselbe Beobachtung. Die Tiefe und