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Buch II.
Mittelalter.
Italien.
Gothischer Styl.
vollen Zügen. Die Taufe des Heidenkönigs und seines
Volkes durch S. Georg verbindet wiederum die grösste Fülle
mit der klarsten Einheit; erwartungsvoll kniet die Familie
des Königs neben dem Heiligen, während dieser den König
tauft; neue Ankömmlinge eilen heran, selbst ein paar Kinder
suchen sich hinter einer Säule Platz, um zusehen zu können.
In den spätem Scenen bildet S. Georg einen tretflichen Gegen-
satz zu seinem Verfolger, dem Magier, welcher z. B.. lauemd
neben ihm steht, wo er den Giftbecher mit heiterm Antlitz
leert. Sehr vorzüglich ist besonders die „Marter mit dem
Rad"; im Hofraum eines Pallastes liegt der Heilige betend
auf dem Rade mit den Eisenhaken, welches eben durch zwei
Engel zertrümmert Werden ist, zum Schrecken aller Anwesen-
den, in welchen die verschiedene Art der Gemüthsbeivegung
meisterhaft ausgedrückt ist. Die vier Gemälde zur Legende
der h. Catharina sind schlecht erhalten und wahrscheinlich
nur von einem Gehülfen ausgeführt, wenn auch die Erfindung
dem diAvnnzo angehört. Das Schönste ist die Abschieds-
scene zweier bekehrten und zum Tode bestimmten Philosophen.
Dagegen sind die Bilder, Welche die Geschichte der h. Lucia
von Syracus darstellen, gut erhalten und von höchstem W erthe.
In dem zweiten derselben ist das Wunder dargestellt, wie
mehrere Kriegsknechte und sechs vorgespannte Ochsen sich
vergebens mühen, die Heilige von der Stelle zu bewegen.
Hier Vergisst man die Sonderbarkeit des Gegenstandes über
den hohen Vorzügen der Darstellung; in grossartiger Ruhe,
gen Himmel blickend, steht die Heilige in der Mitte zwischen
den aufgeregten Zuschauern, Wovon ein Theil sich an den
Prätor wendet, indess Andere die tiefste Betroffenheit und
Sinnesänderung verrathen.
ä. 122. In diesen beiden erhaltenen Bildercyclen ge-
stattete schon der Gegenstand dem Maler nicht jene gross-
artige Entfaltung allegorisch durchgeführter Gedanken, welche
Giotto und Orcagna zu ihren höchsten Leistungen bßgeistgy-
ten; auch ist d'Avanz0 diesen beiden an höherer poetischer
Auffassung, an Kraft, Hoheit und Fülle der Gedanken über-
haupt nicht gleichzustellen. Dagegen erreicht er sie in der