ä
116.
Fra
Giovanni
da
Fiesole.
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Den grössten Theil seines Lebens brachte Fiesole im
Kloster San Marco zu Florenz zu; begraben liegt er in Rom,
allwo noch das Bildniss auf seinem Grabstein (in S. M.
sopra hlincrva) Zeugniss gicbt von dem tiefen und unvergäng-
lichen Seelenfrieden, welcher über sein Wesen verbreitet ge-
wesen sein muss. Seine hohe Frömmigkeit, davon sein Le-
ben, sowie seine Bilder Kunde geben, erwarb ihm die Selig-
sprechung und den Namen des Engelgleichen (Angelico). Er
hätte, so sagt Vasari, gemächlich in der Welt leben und sich
durch seine Kunst, die er schon in der Jugend wohl ver-
stand, reichliche Einkünfte verschaffen können; aber er zog
es vor, zu seiner Befriedigung und Ruhe, und vornehmlich
zum Heil seiner Seele, in den Orden der Predigermönche
einzutreten. Er malte nie für Geld, sondern genügte ohne
WVeiteres gern eines Jeden Bitte, sofern die Erlaubniss des
Priors eingeholt War; ja er war so demüthig, so wenig nach
Ehre begierig, dass er, als ihm der Papst Nicolaus V., seines
reinen und heiligen Wandels wegen, das Erzbisthum von Flo-
renz übergeben wollte, jenen bat, einen anderen hiefür zu
erwählen, da er sich nicht zum Regieren berufen fühle. Nie
ist er ohne Gebet an die Arbeit gegangen und seine Seele
war so erfüllt von seinen Werken, dass er oft, wenn er das
Leiden des Erlösers malte, durch Thränen unterbrochen
wurde. Daher denn betrachtete er das, was er gemalt hatte,
als ein Gnadengeschenk des Himmels, und er wagte es nie,
eine nachbessernde Hand anzulegen.
Dieser tiefe Frieden des Gemüthes, diese stets reine und
heilige Stimmung, diese gläubige Hingebung der Seele, bil-
det nunmehr den Grundcharakter in Fra GiovannYs stimmt-
lichen Werken. Menschliche Leidenschaft, Kampf mit der
Leidenschaft und Ueberwindung derselben kennt er nicht; es
ist eine verklärte seligere Welt, welche er unseren Augen zu
eröffnen strebt. Er sucht die Gestalten, welche er uns "Yor-
führt, mit der höchsten Anmuth, wie sie nur seine Hand
auszudrücken vermag, zu bekleiden; der süsseste Liebreiz
kehrt auf allen diesen Gesichtern wieder; mit einer Gabe der
feinsten Individualisirttng Weiss der Maler den Ausdruck rei-