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Buch II.
Mittelalter.
Italien.
Gothischer Styl.
114.
115.
wir es wohl an antiken Sarkophagliguren sehen, und nur der
milde sprechende Ausdruck des Gesichtes überzeugt uns,
dass wir uns wirklich auf dem Gebiete der neueren Kunst
befinden. Unter dem Kaiser sieht man einen Zug von Bür-
gern und Rittern in der Richtung nach der rechten Seite, wo
eine weibliche Gestalt, die gute Regierung darstellgnd, auf
dem Throne sitzt, Weisheit, Eintracht und andre allego-
rische Figuren neben ihr. Auf der rechten Seitenwand sieht
man die Folgen der guten Regierung. Stadt und Land ge-
niessen die Früchte einer Weisen Staatsordnung: Handel und
"Wandel auf Markt und Strassen; Tanz und Fröhlichkeit an
allen Enden der Stadt; vor den Thoren blühendes und wohl-
bebautes Land, und Bauern, die es pflegen oder dessen
Früchte sammeln. Freilich ist diese Darstellung, in der es
ganz auf charakteristische Auffassung des gemeinen Lebens
ankam, noch Wenig genügend. Auf der linken Seitenwand
sieht man die schlechte und ungerechte Regierung auf dem
Throne; Geiz, Gewalt und eitler Ruhm schweben über ihr;
Grausamkeit, Verrath, Betrug, WVuth u a. sind auf ihren Seiten.
Daneben waren wiederum die Folgen solcher Regierung dar-
gestellt, leider jedoch ist nur noch Wenig hieven zu erkennen:
Bürger werden gefangen aus ihren Häusern fortgeführt,
andre in den Strassen ermordet, die Felder liegen ver-
wüstet, u. s. W.
5- In der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts blühte unter
den Sienesern, charakteristisch für deren Kunstrichtung, ein
gewisser Berna oder Barnaa"), von dem im Dom von
Arezzo ein Cruciiix mit Heiligen, und in der Hauptkirche
von S. Gimignano Piewe, einem Städtchen zur Rechten der
Strasse von Florenz nach Siena, noch Wandmalereien vor-
handen sind (vermuthlich die Begebenheiten aus dem Leben
Christi, auf der rechten Wand der Kirche). Seine Malereien
am Tabernakel des Laterans in Rom enthalten schöne Mo-
tive, sind aber stark übermalt.
1. Q. 115. Sehr bedeutend tritt jene vorherrschend gemüth-
L
Rulnohr,
109 E.