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Siena.
Lippe Memmi, Pietro u. Ambrogio di Lorenzo.
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Ein anderes Bild desselben Meisters in einem Scitengemache 2-
der Sakristei des Domes von Sienaä").
Zugleich jedoch bahnte sich auch hier die durch Giotto 3-
begründete allegorisirende Richtung einen Eingang, und zeigte
sich, verbunden mit den. Eigenthümlichkeiten der Sieneser,
wiederum in eigenthümlicher Entfaltung. Die beiden Schulen
von Florenz und Siena erschienen von da an in einer, wenn
auch nur bedingten, WVechselwirkung.
Dahin gehören vornehmlich die Wandmalereien, welche 4.
Ambrogio di Lorenzo (oder Lorenzetti), der Bruder
des Pietro, im öffentlichen Palaste zu Siena, und zwar in
der Sala delle balestre ausgeführt hatff). Der für die Ge-
schichte der italienischen Städte sehr charakteristische Inhalt
derselben ist „Gutes und schlechtes Regiment und die Fol-
gen von beiden". An der Hauptwand, den Fenstern gegen-
über, ist der Kaiser auf hohem Throne sitzend, als Reprä-
sentant der obersten, unfehlbaren Macht WHÜr- dargestellt. Auf
jeder Seite des Thrones sitzen drei weibliche allegorische Fi-
guren: Klugheit, Tapferkeit und Frieden, Hochherzigkeit,
Mässigung und Gerechtigkeit, schöne, still feierliche Ge-
stalten; über dem Kaiser schweben Glaube, Liebe und Hoff-
nung. In diesen und den folgenden allegorischen Figuren
vornehmlich erkennt man die den Sienesern eigenthümliche
Darstellungsweise, die mit den Anklängen an byzantinische
Kunst, auch die Annäherung an die Antike behalten. Vor
allen spricht die Friedensgöttin an, eine sanfte Gestalt, von
edlen Gesichtszügen, mit dem Oelzweig im Haar, sorglos den
Kopf in der Hand wiegend, halb gestreckt auf dem Polster
ruhend; in tausend Ißlalten, die die schönen Glieder nicht ver-
hüllen, legt sich das weisse "Gewand um ihren Körper, wie
ae) v_ Rumohr, It. F., S. 106.
w) Vei-gl. E. Förster, a. a. 0., S. 182 ü". u. Crowe u. Cavalcaselle
II, 134 H. Von Ambrogio eine mit dem Datum 1342 und seinem
Namen bezeichnete Darstellung im Tempel, in der florentin. Akademie.
K1eine Bilder von beiden Brüdern u. a. im Museum von Berlin.
wie) Der Gegensatz des Kaisers zu der Regierung selbst ist in der
gigenthümlichen Stellung des italienischen Mittelalters begründet.