109.
Florenz;
Capella de'
Spagnuoli.
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vierzehn allegorische weibliche Figuren, jede unter einem
gothischen Baldachine sitzend, leichte, schlanke Gestalten mit
edlen und anmuthigen Gesichtern. Sie bedeuten, von der
Fensterwand anfangend: das Weltliche Recht, das kanonische
Recht; die spekulative Theologie, die praktische Theologie;
die drei Kardinaltugenden: Glaube, Hoffnung, Liebe; die
sieben freien Künste: die Arithmetik (mit den Tafeln der
Rechenkunst), die Geometrie (mit WVinkelmaass und Zirkel),
die Astrologie (mit der Himmelskugel), die Musik (mit Klang-
instrumenten), die Dialektik (mit einer Schlange unter dem
Schleier), die Rhetorik und die Grammatik. Zu den Füssen
einer jeden von diesen Figuren, eine Stufe niedriger, sitzt
ein Mann, welcher gerade in der entsprechenden Wissenschaft
oder Tugend, sei es in heidnischer oder in christlicher Zeit,
einen berühmten Namen gewonnen hat. Das tiefe Nach-
denken und die Begeisterung der Offenbarung ist in der
ganzen Reihe dieser Männer sehr glücklich ausgedrückt und
ihnen durchweg das eigenthümliche Gepräge einer gr0ss-
artigen Ruhe gegeben; namentlich zeichnet sich der geist-
volle Kopf des Cicero und der traurig sinnende Boethius aus.
Auf dem Dreieckfelde des Gewölbes ist über diesem Ge- 3,
mäldc die Ailsgiessung des heiligen Geistes dargestellt, dessen
Bezug auf das Hauptbild in den Worten des Buches, welches
der heil. Thomas hält, ausgesprochen ist. Die Handlung
geht oben in einer offenen Loge vor sich, während unten vor
der verschlossenen Hausthür die Spötter stehen.
Wie auf dem genannten grossen Gemälde die Kirche in 9.
glorreicher Ruhe dargestellt ist, so erscheint sie auf der gegen-
überstehenden Wand, zur Rechten des Einganges, in ihrer
nach aussen gerichteten Thätigkeit. Dies Bild ist sehr reich
an Figuren und besteht aus einer bedeutenden Reihe ver-
schiedener Gruppen. Auf der unteren Seite desselben, links,
sieht man ein grosses kirchliches Gebäude in italienisch-
gothischem Styl, ein Abbild des Domes von Florenz nach
Seiner ursprünglichen Anlage, welches hier als ein Sinnbild
der geistigen Kirche gedacht werden muss. Davor sitzen
Papst und Kaiser, als oberste Schirmherren der Kirche, geist-
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