354
Buch II.
Mittelalter.
Italien. Gothischer Sty].
109.
S. Die Malereien der Eingangswand sind grösstentheils
zerstört, indem die Fenster früher nicht geschlossen waren
und den Zugang der Witterung gestatteten; sie stellten, nach
Vasari, das Leben des heil. Dominicus (lar. Zu erkennen
ist hier nur noch u. a. eine Predigt des Heiligen vor ge-
drängtem Volke, und an dem einen Fensterpfeiler die Er-
weckung eines gestorbenen Mädchens, Welches sich mit wun-
dersamer Geberde zu seiner Mutter wendet.
1 Das Gemälde, welches die linke WVand der Kapelle (vom
Eingange aus gesehen) schmückt, enthält eine allegorische
Darstellung der Weisheit der Kirche. In der Mitte des
Bildes, nach oben zu, sieht man hier den heiligen Thomas
von Aquino, welcher für den grössten Philosophen seiner
Zeit gehalten wurde und hier als Vollender der Sakraments-
lehre in um so erhabnerer Glorie dargestellt werden musste,
da er gerade in demselben Jahre 1322 heilig gesprochen
worden war; überdiess galt es, hier in einem der grossartig-
sten Dominicanerklöster eine Apotheose der grössten Ordens-
hciligen aufzustellen, welche mit der für S. Franz von Assisi
üblich gewordenen wetteifern konnte. Diess geschah nicht
wie bei S. Franz in Gestalt einer mystischen Parallele mit
Christus, sondern unter dem Bilde der Herrschaft über alle
Erkenntniss und Weisheit der Welt; dem ekstatisch andäch-
tigen Franciscanerorden tritt der Predigerorden auch hier
als der Wissende und lehrende entgegen. Sankt Thomas sitzt
in feierlicher Ruhe unter einem reichen gothischen Baldachine
und hält ein Buch in der Hand, worauf die (lateinischen)
Worte des Buches der Weisheit (VII, 7. u. 8) stehen:
"Darum so bat ich, und ward mir Klugheit gegeben; ich rief,
und mir kam der Geist der Weisheit. Und ich hielt sie
theurer denn Königreiche und Für-stenthümer." Ueber ihm
schweben Engel; zu seinen Seiten sind Bänke, auf deren
jeder fünf Propheten und Evangelisten sitzen; zu seinen
F üssen sitzen drei Männer mit Büchern, in kauernder Stellung
gleich überwundenen Sklaven; es sind die vornehmsten Ketzer,
Arius, Sabellius und Averrhoes. Auf dem unteren Theile
des Bildes, vor einer langen durchlaufenden Wand, sieht man