109.
Florenz;
Capella.
6.67
Sp agnuoli.
353
Christi dar, als diejenige Begebenheit, welche den eigent-
liehen Grund und Beginn der christlichen Kirche bildet, und
deren stetes Gedächtniss das Frohnleichnamsfest feiert. Diese
Darstellung ist über und zu den Seiten der kleinen, im Halb-
kreis überwölbten Altarnische angeordnet, und zwar auf
eigenthümliche Weise, so dass nehmlich die verschiedenen
Momente der Passion nicht von einander gesondert sind.
Zur Linken sieht man die Kreuzigung; der Zug kommt aus
der Stadt und geht um dieselbe herum den Berg hinan;
Fenster und Dächer wimmeln von Zuschauern; Maria mit
den Uebrigen geht in trüber Fassung hinter Christus ein-
her, Welcher sich gegen sie umwendet. Oben auf dem Berge
die Kreuzigung, mit einer grossartig schönen Gruppe der
heil. Frauen; lWlaria ist hier noch nicht in Ohnmacht dar-
gestellt, sondern qualvoll aber entschlossen zum Kreuze auf-
blickend; auf der andern Seite hauen Reiter auf das Volk
ein, welches hastig entflieht, darunter eine Gestalt in gelbem
Mantel, vielleicht Ahasver. Rechts, unten, die Höllenfahrt
Christi; die erlösten Erzväter sind schön und ausdrucksvoll,
ohne leidenschaftliches Verlangen dargestellt; hinter einem
Felsenthor lauern zitternd die Dämonen. Das Dreieck- 4,
feld des Krcuzgewölbes über der Altarwand enthält die Auf-
erstehung Christi; die beiden Engel, Welche auf dem Sarge
sitzen, sind schön und fast noch byzantinisch strenge ge-
zeichnet, die drei Marien in feierlicher Bewegung. Das 5_
gegenüberstehende Dreieckfeld, über der Eingangswand, ent-
hält die Himmelfahrt Christi. Hier ist die Gruppe der an-
betenden Jünger, wie dort die der schlafenden Wächter aus-
gezeichnet; besonders merkwürdig aber ist hier wie in den
Passionsbildern die der Schule Giotto's eigne Auffassung
Christi, welche fast mit Sicherheit auf altchristliche Vor-
bilder (im Katakombenstyl zurückweist. Weit entfernt von
der verschrumpftcn Gravität. byzantinischer Christusdar-
Stellungen (wie z. B. noch diejenige des Cimabue im Dom
von Pisa), zeigt sich hier eine erhabene, noch jugendlich
schöne Gestalt von mildestem Ausdruck, theilweise nackt,
und oft nur mit einem herrlich gefalteten Mantel bekleidet.
Kugler Malerei I.