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Buch II.
Mittelalter.
Italien.
Gothischer Styl.
105. 106.
reste eines Ciboriums über dem Hochaltar von St. Peter in
Rom werden jetzt in der dortigen Sakristei aufbewahrt.
9. Der Stifter dieses Werkes, Cardinal Stefaneschi, liess durch
Giotto auch eine Handschrift, das Leben des h. Georg, mit
den Thaten dieses Heiligen und mehrern Begebenheiten des
Papstes Cölestin V. illustriren. Dieses wichtige lWIanuscript
findet sich noch im Archiv der St. Peterskirchef).
1. ä. 106. Wenden wir uns nunmehr zu der besonderen
Weise, wie die angegebenen Darstellungen ausgeführt sind,
so bemerken wir zunächst, dass der Styl der byzantinischen
Kunst hier entschieden verlassen ist. Es tritt eine eigen-
thümliche Weichheit der Bewegungen hervor, die im Einzel-
nen sogar bis zu übertriebener Zierlichkeit durchgeführt ist,
und die sich vornehmlich in den Weichen und langgczogenen
Falten der Gewandung ankündigt. Diese Eigenthümlichkeit
ist charakteristisch für die gesammte Periode, deren eine
Richtung wir zuerst in Giotto repräsentirt sehen; sie kehrt
durchweg (nur modificirt nach den Eigenthümlichkeiten her-
vorstechender Weister) in typischer Weise Wieder. Und wie
in den gemessenen Formen einer im strengen Styl behandel-
ten Gewandung überall ein architektonisches Gesetz sichtbar
wird, so dürfen wir besonders den genannten Typus in nächste
Verbindung mit der gothischen Architektur bringen, deren
Charakter derselbe durchaus entspricht und mit welcher er
gleichzeitig auftritt und verschwindet. Auch in den Köpfen
seiner dargestellten Personen zeigt Giotto häufig eine typisch
wiederkehrende Bildungsweise, die in vielen Fällen sogar
nicht sonderlich schön erscheint: die Augen sind insgemein
scharf geschlitzt und stehen nur in geringem Zwischenraume
von einander. Von derjenigen Huld und Anmuth, welche
ü) Andere Bilder, welche in verschiedenen Galerien Giotto zuge-
schrieben werden, übergehen wir um so eher, da die wenigsten kritisch
beglaubigt sind. Eine Mittheilung E. FörstefS (Kunstbl- 1838,
N0. 3) liess hoffen, dass eine Folge von Wandmalereien Giottcfs im
Kapitelsaal von San Antonio in Padua dereinst noch von der
Tünche befreit werden möchten, welche jetzt dieselben bedeckt. Vgl,
edoeh Crowe und Cavalcaselle I, 291 E.