Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 1)

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Buch II. 
Mittelalter. 
Italien. 
Gothischer Styl. 
Aber diese Ausdehnung der Scenerie hätte an sich die Kunst 
kaum gefördert, Wäre sie nicht gepaart gewesen mit der 
mächtigsten Begabung für das Wesentliche aller Historien- 
malerei, für das Auffinden der höhern geistigen Bezüge, für 
das Lebendig-organische im Ganzen wie im Einzelnen, für 
die Intuition des Geschehens. Hierin ist Giotto Begründer 
und Vollender zugleich. Einzelne heil. Begebenheiten sind 
vielleicht von keinem Spätern geistreicher ergriffen worden 
als hier, wenn auch die Ausführung des Einzelnen bei Giotto 
noch sehr zurücksteht. Der Kindermord von Bethlehem zeigt 
bei massiger Bewegung den Ausdruck des tiefsten Schmer- 
zes und Entsetzens und in den Henkern teuflische Bosheit. 
Jene Auferweckung des Lazarus ist innerhalb der nothwen- 
digen Grenzen dieses Styles ein wahrhaft vollkommenes Werk 
zu nennen; Martha und ein heiliger Greis halten die noch 
eingehüllte Leiche, während Maria schon Christo zu Füssen 
liegt, der eben mit erhobener Rechten das belebende Macht- 
wort ausspricht. Auch die Grablegung wird in der Wahl 
der Motive von keiner spätern Darstellung dieses Gegen- 
standes übertroffen; in zehrendem Jammer sitzen am Boden 
die heiligen Frauen, welche den Leichnam stützen; Johannes 
will sich noch einmal auf den Todtcn werfen, Maria giebt 
den wildschmerzlichen letzten Kuss; in einer schönen Gruppe 
6_ stehen die Freunde umher. Dagegen ist das jüngste Gericht 
nicht durchweg von derjenigen Bedeutsamkeit, welche man 
 bei Giotto erwarten könnte, obwohl sich auch hier vortreff- 
liche Motive und eine (wahrscheinlich) ganz neue Ailtfassung 
des Gegenstandes geltend machen. Immerhin bildet diese 
Kapelle ein künstlerisches Ganzes, welchem nicht Vieles in 
dieser Art gegenüberzustellen sein möchte. 
1, ä. 105. Andere historische Malereien Giottds finden 
sich auf einer Reihe kleiner Tafeln, welche ehemals die 
Schränke in der Sakristei von S. Groce zu Florenz schmück- 
ten äe). Sie stellen das Leben Christi und das des heil. Fran- 
a) Kuhbeil, Studien nach altflorentinischen 
 Riepenhausen, Gesch. der Malerei. II. T. 3-8. 
Meistern
	        
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