104.
Giotto.
Madonna
delP
ZU
Aren a.
Padua.
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tränkende Madonna einigermassen erhalten ist) und haben
als eines der frühsten grossen Werke der neuen Richtung die
höchste Wichtigkeit. In 42 schön eingefassten Bildern, welche 2.
in drei grossen Reihen die WVände entlang sich ausbreiten,
ist das Leben der heil, Jungfrau von der Geschichte ihrer
Eltern an bis zu ihrer Krönung dargestellt. Der Grund des 3.
einfachen Bogengewölbes ist blau und mit goldenen Sternen
besäet, zwischen Welchen man die Köpfe Christi, der Ma-
donna, und die Propheten und Vorfahren Christi erblickt;
über dem Chorbogen ist Christus in einer Glorie von Engeln
abgebildet. An diese heiligen Scenen und Gestalten schlies- 4.
sen sich bedeutsame Beziehungen auf das sittliche Dasein des
Menschen an. Die untern Theile der Seitenwände enthalten
in liledaillons grau in grau die allegorischen Figuren der
Tugenden und Laster (erstere ideal und weiblich, letztere
meist männlich und als Individuen gedacht), die Portalwand 5.
aber eine grosse Darstellung des jüngsten Gerichtes. Giotto
tritt hier wie in den allegorischen Nlalereien als grossartiger
Neuerer auf. Eine Menge von Momenten der heiligen Ge-
schichte sind hier entweder geradezu von ihm zum erstenmal
dargestellt, oder doch in einer ganz neuen Sinnesweise auf-
gefasst. Er umgiebt die Vorgänge oft mit zahlreichen, mehr
oder weniger betheiligten Nebenfiguren und rückt sie damit
der Wirklichkeit und dem Verständniss näher; wo dem träu-
menden Joachim ein Engel erscheint, stehen zwei Hirten
seitwärts, welche diesen mit scheuer Ehrfurcht anblicken; bei
der Flucht nach Aegypten ist die heilige Familie von einem
Knecht. und drei andern Personen begleitet; bei der Aufer-
Weckung des Lazarus bilden die Jünger hinter Christo und
das atlfgeregte Volk auf der andern Seite gleichsam zwei
Chöre; in dem Bilde der Geisselung sind die Peiniger zu
einer reichen vortrefflichen Gruppe ausgedehnt, vorn auf den
Knien der noch jugendliche Spötter, rechts die Schriftge-
lehrten; diese Annäherung an das Leben gewvinnt zuweilen
einen Charakter, welcher die Grenzen des höhern kirchlichen
Styles überschreitet, wenn z. B. in dem Bilde der betenden
heil. Anna eine spinnende Magd in der Nebenkammer sitzt.
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