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Buch II.
Mittelalter.
Italien.
Gothischer Styl.
letzten Hohenstaufen nicht kennen, so bleibt es dahingestellt,
wie viel von diesen Vorzügen einer rein einheimischen Ent-
wickelung angehört.
Der
gothische
Styl
in
Italien.
Meister
des
XIV.
Jahrhunderts
und
ihre
Nachfolger.
Vorbemerkung.
ä. 100. Es ist bereits bemerkt worden, dass in den Wer-
ken des Duccio die Kunst ihrer Vollendung schon so nahe
steht, dass nur ein geringer Zeitraum zur Erlernung des noch
Mangelhaften nöthig zu sein scheint. Und doch sind sie
noch durch zwei Jahrhunderte von der Blüthezeit der neueren
Kunst getrennt, eine zu auffallende Erscheinung, als dass
derselben nicht besondere Verhältnisse zu Grunde liegen soll-
ten. Suchen wir uns dieselben deutlich zu machen.
In den neuerwachten Kunstbestrebungen war es vornehm-
lich nur der Gegenstand, den charakteristisch zu erfassen,
anschaulich darzustellen und soweit es möglich zu beleben,
als Hauptaufgabe galt. Der Geist des schaffenden
Künstlers War dem Gegenstande noch fast gänzlich hin-
gegeben, und wenn wir ihn verschiedentlich in jenen lei-
denschaftvollen Darstellungen durchschimmern sahen, so
war dies im WVesentlichen doch mehr durch jene eigenthüm-
liche Spannung, in die ihn äussere Umstände versetzt hatten,
bewirkt, als durch das innere Bedürfniss, sich selber in dem
dargestellten Gegenstande auszusprechen.
Es scheint im ersten Augenblicke, als ob eine solche
Scheidung des Gegenstandes und der besonderen Auffassungs-
Weise nicht zulässig sein dürfe; es scheint, dass hiedurch ein
Zwiespalt hervorgerufen wird, welcher die harmonische Ruhe
des Kunstwerkes zerstört. Dies ist in der That der Fall,
aber der Zwiespalt entsteht nur, um eine neue, höhere Ver-
einigung herbeizuführen.
Diese Scheidung und Vereinigung ist aufs Innigste im