Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 1)

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Siena: 
Duccio. 
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stand, wodurch eine bis in das Einzelnste gehende Indivi_ 
dualisirung mit der reinsten Objectivität sich verbindet. 
Wir wollen nur eine von diesen zahlreichen Darstellungen, 3. 
und zwar die erste, welche den Einzug Christi in Jerusalem 
enthält und eins der grösseren Felder bildet, näher betrachten. 
Die Scene ist nahe vor dem Thore. Jesus reitet zur Linken 
auf der Eselin, neben welcher das Füllen geht. Hinter ihm 
sind die Apostel, alle voll Kraft in den Männer- oder Jüng- 
lingsgesichtern. Unter ihnen zeichnet sich besonders Johannes 
durch Schönheit aus. Ihre auf das Volk gerichteten Ge- 
sichter scheinen diesem zu sagen: Hier bringen Wir Euch 
Euren König. Jesus selbst scheint eben mit würdigem, ern- 
stem Blick, der nicht frei von Wehmuth ist, die Rechte auf- 
gehoben, die Worte des Wehis über die Stadt auszusprechen. 
Ueber ihm pflückten Männer in und unter Baurnen Zweige 
von denselben. Von den Zinnen der Stadtmauer und über 
eine Gartenmauer unter den Mauern der Stadt schaut eine 
Menge von Männern, Weibern und Kindern mit ernsten 
Blicken, aber voll inniger Theilnahme an dem, was sich be- 
giebt. Vor dem Erlöser her zieht sich der Volkshaufen. 
Einige sehen sich um und breiten mit dem Ausdrucke der 
innigsten Ehrerbietung Kleider auf dem Wege aus, Andre 
tragen Zweige vor ihm her; noch Andre werden wider ihren 
Willen fortgedrängt und schauen noch, so gut sie in diesem 
Drange können, nach dem Könige um. Kurz, es ist ein 
solches Getümmel auf dem kleinen Raume dargestellt, worin 
jede Figur nicht etwa bloss mit ihrem Körper, sondern durch 
die Theilnahme ihrer Seele eine Rolle spielt, dass etwas Aehn- 
liches unter den Werken der Malerei schwer zu finden sein 
dürfte; gewiss ist die Idee eines solchen Getümmels hier so 
erschöpfend und befriedigend ausgeführt, dass ein grösserer 
Aufwand dazu schwerlich von Ueberfluss frei gesprochen 
werden könnte. Im Thore stehen die Pharisäer und Schrift- 
gelehrten, von denen sich einige über das Aufsehen ärgern, 
welches ihr Gegner macht, und von Neid verzehrt werden. 
Andere wundern sich mit aufgehobenen Händen über seine 
unerhörte Kühnheit. Doch sind auch einige darunter, denen
	        
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