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Siena:
Duccio.
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stand, wodurch eine bis in das Einzelnste gehende Indivi_
dualisirung mit der reinsten Objectivität sich verbindet.
Wir wollen nur eine von diesen zahlreichen Darstellungen, 3.
und zwar die erste, welche den Einzug Christi in Jerusalem
enthält und eins der grösseren Felder bildet, näher betrachten.
Die Scene ist nahe vor dem Thore. Jesus reitet zur Linken
auf der Eselin, neben welcher das Füllen geht. Hinter ihm
sind die Apostel, alle voll Kraft in den Männer- oder Jüng-
lingsgesichtern. Unter ihnen zeichnet sich besonders Johannes
durch Schönheit aus. Ihre auf das Volk gerichteten Ge-
sichter scheinen diesem zu sagen: Hier bringen Wir Euch
Euren König. Jesus selbst scheint eben mit würdigem, ern-
stem Blick, der nicht frei von Wehmuth ist, die Rechte auf-
gehoben, die Worte des Wehis über die Stadt auszusprechen.
Ueber ihm pflückten Männer in und unter Baurnen Zweige
von denselben. Von den Zinnen der Stadtmauer und über
eine Gartenmauer unter den Mauern der Stadt schaut eine
Menge von Männern, Weibern und Kindern mit ernsten
Blicken, aber voll inniger Theilnahme an dem, was sich be-
giebt. Vor dem Erlöser her zieht sich der Volkshaufen.
Einige sehen sich um und breiten mit dem Ausdrucke der
innigsten Ehrerbietung Kleider auf dem Wege aus, Andre
tragen Zweige vor ihm her; noch Andre werden wider ihren
Willen fortgedrängt und schauen noch, so gut sie in diesem
Drange können, nach dem Könige um. Kurz, es ist ein
solches Getümmel auf dem kleinen Raume dargestellt, worin
jede Figur nicht etwa bloss mit ihrem Körper, sondern durch
die Theilnahme ihrer Seele eine Rolle spielt, dass etwas Aehn-
liches unter den Werken der Malerei schwer zu finden sein
dürfte; gewiss ist die Idee eines solchen Getümmels hier so
erschöpfend und befriedigend ausgeführt, dass ein grösserer
Aufwand dazu schwerlich von Ueberfluss frei gesprochen
werden könnte. Im Thore stehen die Pharisäer und Schrift-
gelehrten, von denen sich einige über das Aufsehen ärgern,
welches ihr Gegner macht, und von Neid verzehrt werden.
Andere wundern sich mit aufgehobenen Händen über seine
unerhörte Kühnheit. Doch sind auch einige darunter, denen