Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 1)

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Buch II. 
Mittelalter. 
Italien. 
Romanischer Styl. 
ihrer Vollendung bereits den Stolz von Siena bildete,  
auch sie wurde, wie es von jenem Madonnenbilde Cimabuds 
berichtet ist, in festlicher Procession aus der Werkstatt des 
Künstlers nach dem Dome getragen,  ist noch gegenwärtig 
mit der Namensunterschrift des Meisters vorhanden und ein 
wunderbar Vollendetes Beispiel in jenem ersten Style der 
neueren Malerei. Sie war auf der vorderen und auf der 
Rückseite bemalt; nachmals hat man beide Seiten von ei11an- 
der getrennt und so finden sich dieselben jetzt an den Wän- 
den des Sieneser Domes befestigt. 
2- Wir betrachten zunächst die Rückseite, welche in zwanzig 
bis dreissig Feldern kleine Darstellungen (die Figuren etwa 
eine Palme hoch), aus der Passionsgesehichte Christi enthält. 
Auch hier wiederum zeigen sich im Allgemeinen noch die 
in der byzantinischen Kunst vorgefundenen Motive, die jedoch 
aufs Lebendigste und mit tiefster Empfindung aufgefasst sind; 
auch hier, wie beim Cimabue, jene grossartig kräftige Leiden- 
schaftlichkeit in den Bewegungen, die jedoch noch feierlicher, 
noch rhythmisch vollendeter erscheint. Zugleich aber ist 
hiemit ein so classischer Schönheitssinn, eine so liebenswür- 
dige Naivetäit, eine so meisterliche Ausführung im Nackten 
und in der Gewandung verbunden, wie sie in der That für 
jene Zeit nicht erwartet werden konnte: vor diesem Bilde 
möchte man meinen, dass Duccio nur noch wenige Stufen 
von dem Gipfel der neueren Kunst entfernt gewesen wäre. 
Besonders beachtenswerth ist endlich der Umstand, wie es 
Duccio möglich machte, die Hauptmomente der Passions- 
geschichte in soviel einzelne Darstellungen (wie oben erwähnt) 
zu zerlegen. Denn trotz der Vereinzelung und Trennung der 
Momente ist gleichwohl eine jede Darstellung mit einer reich- 
liehen Fülle von Figuren ausgestattet, in deren Gestaltung 
und Zusammensetzung durchweg so neue und überraschende 
Motive angewandt sind, dass sie Zeugniss geben von einem 
nie verlegenen Erfindungsgeiste, von der umsichtigsten Be- 
sonnenheit, von der tiefsten Durchdringung des innern und 
äusseren Lebens, und von einer Vertiefung in seinen Gegen-
	        
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