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Buch II.
Mittelalter.
Italien.
Romanischer Styl.
dellirung des Nackten, eine entschiedene und nicht unglück-
liche Annäherung an die Antike; eine dieser Genien hat auch
eine auffallende Aehnlichkeit mit denjenigen, welche in der
classisehen Kunst mit gesenkter Fackel zu den Seiten der
Sarkophage zu stehen pflegen. Am fünften Gewölbe sieht
man die Gestalten der vier vorzüglichsten Kirehenlehrer, in
denen man jedoch nicht die Hand des Cimabue selbst, son-
dern eines seiner Nachahmer erkennen Will.
-Wichtiger noch sind die Malereien, Womit Cimabue den
oberen Theil der Wände des Langschiffes, zu den Seiten der
Fenster, ausschmückte. Auf der linken WVand, vom Chore
aus gesehen, stellte er hier die Geschichten der Genesis und
der Patriarchen des alten Testanientes, auf der rechten die
Begebenheiten der Geburt und der Passion Christi dar. Die
vorzüglichsten unter den erhaltenen dieser Gemälde sind:
Joseph mit seinen Brüdern, die Hochzeit zu Kana, die Ge-
fangennehmung Christi und die Abnahme von Kreuz. Auch
diese zeigen noch die Schule der byzantinischen Kunst, zu-
gleich aber das Todte, Starre und Hässliche derselben bis
auf einen gewissen Grad bereits vollkommen beseitigt; in
ihnen ist es dem Künstler gelungen, die lebendige Entwick-
lung eines besondern, vorübergehenden Momentes, in Gruppi-
rung der Massen, in Stellung und Geberde der einzelnen
Personen, bereits genügend und mit Sicherheit festzuhalten.
Freilich erkennt man auch hier noch, ähnlich wie bei den
genannten Kuppelgemälden im Baptisterium von Parma,
wie der Geist des Künstlers gerungen, um der überlieferten
Form den Ausdruck einer lebendigen Idee aufzuprägen;
jedoch ist hier jene Leidenschaftlichkeit in den Bewegungen
der dargestellten Personen durch einen eigenthümlichen Zug
von Grossheit und Würde bereits erfreulichst gemässigt.
Aber nur bis auf einen gewissen Grad hat der Künstler die
Belebung seiner Gestalten durchzuführen vermoeht, soweit es
nemlich zu jener bestimmten Darstellung einer besonderen
Handlung nöthig war; Alles, was zur weiteren Nachahmung
der Natur in ihren einzelnen Eigenthümlichkeiten, was zur
Auffassung selbständig schöner Motive gehört, mangelt noch