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Buch II,
Mittelalter.
Italien.
Romanischer Styl.
Von dem grossen Mosaik, Welches die IIaupt-Tribune des
D 0m e s v0 n P i s af) schmückt, einem riesigen Christus, zu des-
sen Seiten Johannes der Täufer und Maria stehen, ist der grösste
Theil, dokumentlichen Nachrichten zufolge, von Cimabue
gegen das Ende seines Lebens ausgeführt worden. Doch
scheint bei der Gestalt Christi der Geist des Künstlers durch
den vorgeschriebenen kirchlichen Typus gebunden gewesen
zu sein; wenigstens ist hier noch völlig der starre, byzan-
tinische Typus befolgt, während in der Gestalt des Johannes
schon eine lebendigere Bildung des Kopfes und eine natur-
gemässere Bewegung hervortritt.
5. Ungleich wichtiger jedoch, als die beiden genannten Altar-
tafeln, sind die grossen Wandmalereien, welche dem Cimabue
in der Oberkirche des h. Franciscus zu Assisi zugeschrieben
werdenwf); erst in diesen zeigt sich sein grosses Talent in
vollständiger Entwickelung. Wir dürfen die Klosterkirche
des h. Franciscus zu Assisi als einen der bedeutendsten
Punkte für die Entwickelungsgeschichte der neueren Malerei
betrachten. Schon für die Architekturgeschichte ist sie be-
merkenswerth, indem sie, in der ersten Hälfte des XIII. Jahr-
hunderts, durch fremde Baumeister in dem für Italien damals
noch fremden gothischen Baustyle errichtet wurde; ebenso
durch die eigenthümliche Anlage zweier fast gleich ausge-
dehnter Kirchen übereinander, von denen die untere ursprüng-
lich die Grabkirche des h. Franciscus bildete, und nur die
obere für den gewöhnlichen Gottesdienst des Klosters be-
stimmt war. Die grosse Verehrung dieses heiligen Ortes
zeigt sich vornehmlich in dem reichen Schmuck von Wand-
gemälden, womit die Kirche im XIII. und XIV. Jahrhun-
derte bedeckt wurde. Der neue Orden erscheint hier in einer
merkwürdigen
Causalverbindung
mit
der
IIBUGII
Malerei.
99) E. Förster, Beiträge zur neuern Kunstgeschichte, S. 97 1T,
H") Die Gründe, welche Hr. v. Rumohr, Ital. Forsch. II, S. 30,
für die Aechthßit jener beiden Madonnenbilder beigebracht, dürften,
Ywie es scheint, ihre Anwendung auch auf die genannten Wandmalereien
finden. Vergl. Fr. K. im Tüb. Kunstblatte 1827, N0. 28, 34, 35,
38-40.