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Buch I1.
Mittelalter.
Italien.
Romanischer Styl.
durch das Aufkommen einer Literatur in der Volkssprache.
Es ist eine. andere Art von Blüthe als die gleichzeitige des
nordischen Ritterwesens, aber sie trug eine eben so grosse
2. Zukunft in _sich. Üeberdiess ging damals durch das ganze
Abendland ein und derselbe Hauch idealen Strebens, welches-
auch in der Kunst, allerdings nur für einen Augenblick, an
die höchste klassische Vollendung streift, nämlich in einzelnen
Sculpturwerken des XII. und XIII. Jahrhunderts, obschon
deren Verfertiger höchst wahrscheinlich vom klassischen Alter-
thum nichts wussten. Diejenigen, Welche dem Norden ange-
hören, wurden bereits theilweise genannt (S. 212 und 220);
Einzelnes davon steht der Antike so nahe, dass nur noch ein
kleiner Schritt zu fehlen scheint. In Italien begann der
grosse Bildhauer Nicola Pisano (geb. um 1200) mit einer
ähnlichen Richtung, bis er die Antike selbst entdeckte und
seinen Styl unmittelbar nach ihr umbildete. Aber wie in
Deutschland und Frankreich diese hohe und freie Auffassung
der Formen und Charaktere sehr bald einem mehr conven-
tionellen und selbst manierirten gothischen Style weichen
musste, ohne auf die Malerei einen nachweisbaren Einfluss
geübt zu haben, so geschah es auch in Italien; die nächsten
Nachfolger des Nicola fielen schon von seiner Weise ab, und
in den ihm gleichzeitigen und den zunächst folgenden Werken
der Malerei schimmert seine Richtung auf höhere Ausbildung
der Form nur selten durch die befangene Darstellungsweise
entschieden hindurch.
1. ä. 96. Derjenige Maler, welcher hier vor Allem in Be-
tracht kommt und gewöhnlich (obwohl viel zu ausschliesslich)
als Gründer der neuern italienischen Malerei betrachtet wird,
ist Giovanni, aus der edlen Familie der Cimabue,
welcher (nach Vasari's Angabe) im Jahre 1240 geboren ist
und bald nach dem Jahre 1300 gestorben zu sein scheint.
Unter die Werke, welche man ihm, und zwar mit grösster
Wahrscheinlichkeit, zuschreibt, gehören zuerst zwei grosse,
2. in Florenz befindliche Madonnenbilder. Das ältere von die-
sen, früher in der Kirche Sta. Trinita, das gegenwärtig in
der Galerie der Akademie aufbewahrt wird und darunter