Volltext: Franz Kugler's Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Großen (Bd. 1)

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Buch II. 
Mittelalter. 
Italien. 
Romanischer Styl. 
sondern ausnahmsweise dem rein italienischen an; es sind 
kurze Figuren mit schweren Umrissen, von deutlich ausge- 
drückten, aber rohen Charakteren, in barbarischer Gewandung. 
5- Wenige Zeit später beginnen die sichern Anhaltspunkte 
häuüger zu werden, indem nicht nur einzelne Werke mit 
Namen und J ahrzahl bezeichnet, sondern auch schon einzelne 
Meister durch anderweitige (wenn auch nicht immer zuver- 
lässige) Tradition festgestellt sind; ein Vortheil, dessen die 
damalige deutsche Kunst fast völlig entbehrt. Zunächst 
kommen hier zwei Meister in Betracht, welche vielleicht nicht 
gerade zu den bedeutendsten ihrer Zeit gehören und im 
byzantinischen Styl noch zu sehr befangen sind, um z. B. 
mit der dramatischen Lebendigkeit der Fresken in der Tauf- 
kapelle von Parma, oder mit der natürlichen Freiheit der 
Gestaltung in den Mosaiken der Vorhalle von S. Marco wett- 
eifern zu können, in der naturgemässen Durchbildung ein- 
zelner Theile dagegen die Grenzen der byzantinischen Dar- 
6. Stellung schon bedeutend überschreiten. Der Eine ist Guido 
von Siena (nach Cavalcasellels Forschungen Guido Gra- 
tiani, 1287-1308), von dem sich in S. Domenico zu Siena 
(in der zweiten Kapelle links) ein grosses Madonnenbild, mit 
dem Namen des Meisters und mit der Jahrzahl 1221, befindet. 
Diess Gemälde ist in den Aeusserlichkeiten noch vorherrschend 
byzantinisch, jedoch nicht ohne eine gewisse Grossartigkeit 
und ein besonderes naives Lebensgefühl in der Stellung der 
Hauptfigur und in dem- runden, anmuthigen Köpfchen des 
7. ÄKindesä).  Der zweite ist Giunta von Pisa (in Urkun- 
i") S. D'Agincourt, a. a. O. Taf. 107.  Fr. K. im Tüb. Kunst- 
blatt 1827, N0. 47.  Rumohr, a. a. O. S. 334.  Das Bild ist 
übermalt, jedoch nur zum Theil, sodass an den anbetendcn Engeln der 
obern Füllungen die alte Technik noch vollständig ersichtlich ist. Die 
(ebenfalls retouchirtc) Unterschrift enthält die sinnreich spielenden Verse ; 
Ma Guido de Senis diebus depinxit amoemis, 
Quem Christus lenis nullis velit angere poenis. 
Vielleicht das frühste Zeugniss eines wieder erwachten künstlerischen 
Wohlbehagens an der eigenen, mit subjektiven Zügen ausgestatteten 
Arbeit.
	        
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